Polgara die Zauberin
»Warum überlassen wir es nicht Pol, alle Beteiligten an den Friedenstisch auf dem Großen Markt zu prügeln?« schlug er vor.
»Prügeln?« empörte ich mich.
»Wie würdest du das nennen, was du vorhast?«
»Also, wenn man mich dazu zwingen würde, nun ja, aber es ist so ein häßliches Wort. Könnten wir es nicht anders nennen?«
» Was wäre dir denn lieber?«
»Ich weiß nicht. Ich arbeite daran und werde euch meine Entscheidung mitteilen.«
»Ich hoffe, du verzeihst mir, wenn ich trotzdem nicht gespannt die Luft anhalte.«
Kurz vor der Morgendämmerung ruderte Vater uns über den Meeresarm an der Mündung des Arendflusses zurück. Mir ist schon oft aufgefallen, daß er so etwas tut, wenn er der Auffassung ist, er sei der am besten Geeignete für eine solche ansonsten niedere Arbeit. Sowohl Mandorin als auch Corrolin waren Ritter, wesentlich besser vertraut mit dem Pferderücken als mit den Rudern eines kleinen Bootes. Mein Vater geht keine vermeidbaren Risiken ein. Ich hätte es vermutlich mindestens ebensogut gekonnt wie er, aber der Gedanke kam ihm offenbar gar nicht – und ich war die letzte, die ihn darauf aufmerksam gemacht hätte.
Die Dämmerung erstrahlte in voller Pracht, als wir unser Boot anlegten, unsere Pferde wieder sattelten und zum Kloster weiterritten. Corrolin führte pflichtschuldig sein etwa viertelstündiges Gespräch mit dem Abt – obwohl ich mir bei meinem Leben nicht vorstellen konnte, worüber sie sich wohl unterhielten. Corrolin würde nicht in den Krieg ziehen. Vielleicht war es das. Vielleicht bat er den Abt, Chaldan seine Entschuldigungen zu übermitteln, daß er seine Nachbarn nun doch nicht niederzumetzeln gedachte. Als er das Kloster verließ, nahmen wir die Hauptstraße zurück nach Vo Mimbre. Trotzdem hielten wir nach ungefähr einer Meile an, und ich bereitete über einem Lagerfeuer am Straßenrand das Frühstück für uns zu – ein recht gutes Frühstück, wie ich mich noch erinnere. Meine Freunde aßen natürlich viel zu viel, und Vater entschied nun, da er einen vollen Magen hatte, daß eine kleine Rast angemessen wäre. »Schließlich waren wir die ganze Nacht auf den Beinen«, rief er uns ins Gedächtnis. »Ich kann im Sattel schlafen, wenn es wirklich sein muß, aber irgend jemand muß wach bleiben, um die Pferde zu lenken. Wir sollten ein wenig schlafen und dann weiterreiten.«
Wir lenkten die Pferde von der Straße weg unter den grünen Laubbaldachin der Bäume, rollten unsere Decken aus und überließen uns dem Schlaf. Ich war kurz vor dem Eindämmern, als ich Mutters Stimme in meinen schläfrigen Gedanken flüstern hörte: »Sehr gute Arbeit Polgara«, lobte sie mich.
»Das fand ich auch«, gab ich ihr in aller Bescheidenheit recht.
»Du klingst müde.«
»Ich bin's, ziemlich.«
»Warum schläfst du dann nicht?«
Und genau das tat ich. Zwischen diesem und dem nächsten Gedanken war ich auch schon eingeschlummert.
Um die Mitte des nächsten Vormittags erwachten wir alle und ritten zu einem recht heruntergekommenen kleinen Gasthof weiter, wo wir alle die Nacht verbrachten. Am darauffolgenden Morgen standen wir früh auf und ritten dann ohne weiteren Aufenthalt nach Vo Mimbre zurück.
Herzog Corrolin war äußerst erzürnt über das, was sein Treffen mit Ran Vordue ans Licht gebracht hatte. Er handelte unverzüglich, indem er Befehle, aber keinerlei Erklärungen gab. Dann lud er den gesamten Hofstaat in den Thronsaal, wo gerüstete Ritter an den Enden Wache standen. Zu jedermanns Überraschung – auch der meinen – betrat der Herzog den Thronsaal in voller Rüstung und mit einem gewaltigen Bihänder. Er nahm nicht auf seinem Thron Platz. »Mylords und Ladies«, begann er. Für einen mimbratischen Arender war seine Rede ungewöhnlich knapp. »Unlängst kehrte ich aus Tol Vordue zurück, wo der Kaiser von Tolnedra und ich eine ausführliche Unterredung miteinander führten. Das Ergebnis dieser Unterredung ist ein überaus glückliches.
Freuet Euch, meine getreuen Untertanen. Es wird keinen Krieg geben.«
Die Reaktion darauf war gemischt. Arender sind nun einmal so.
Corrolin, mit düsterer Miene, schmetterte die Faust mit dem Panzerhandschuh dröhnend auf die Rücklehne seines Throns. »Keine Bestürzung, Mylords und Ladies«, rief er mit donnernder Stimme. »Es wird andere Unterhaltungen geben. Eine ausgedehnte Verschwörung hat unlängst mit ihrem faulen Hauch die Luft verpestet – nicht nur hier in Mimbre, sondern auch in Asturien und Wacune. Es ist mein
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