Polgara die Zauberin
Seneschall und ich waren einen recht steilen Hang hinaufgeritten und hielten auf der Kuppe an, um unseren Pferden in der goldenen Morgensonne eine Rast zu gönnen.
»Nichts für ungut, Fräuleinchen«, begann Killane ein wenig zögernd, »aber könnt'n wir wohl mal kurz miteinander plaudern?«
»Natürlich. Du siehst bekümmert aus, Killane. Was bedrückt dich?«
»'ch bin ja nicht der klügste Mann der Welt, Melady«, sagte er, »aber man tät schon ein ausgemachter Dummkopf sein müss'n, um nicht zu seh'n, daß Ihr nicht unbedingt, ich will mal sagen, normal seid.«
»Oh, herzlichen Dank, Killane.« Ich lächelte. »Faß dir ein Herz und sprich es aus, mein Freund. Ich werde nicht im geringsten Anstoß nehmen.«
»Sie nenn'n Euch Polgara die Zaub'rin«, platzte er los. »Ist das die Wahrheit?«
»Das mit der ›Zauberin‹ wird immer völlig überbewertet«, entgegnete ich, »aber, ja, Polgara ist mein Name, und ich habe gewisse Fähigkeiten, die nicht besonders verbreitet sind.«
»Und Euer Vater tut Belgarath heiß'n?«
Ich seufzte. »Ich fürchte, ja.«
»Und Ihr seid 'nen bißchen älter, als Ihr ausseht, stimmt's?«
»Ich will doch hoffen, daß man mir die Jahre nicht ansieht.«
»Ihr seid, ich will mal sagen, tausend Jahre alt?« Er warf mir die Zahl fast anklagend an den Kopf.
»Nein, mein Lieber«, erklärte ich ihm geduldig. »Dreihundertvierundzwanzig, um genau zu sein.«
Er schluckte krampfhaft, und in seine Augen trat ein wilder Blick.
»Ist das wirklich so wichtig, Killane?« wollte ich von ihm wissen. »Die Langlebigkeit liegt bei uns in der Familie. Manche Menschen leben länger als andere, das ist eine Tatsache. Das hast du doch gewiß schon selbst bemerkt«
»Tja, na ja, ich tu's annehmen. Aber dreihundert Jahre!«
»Ich sage es noch einmal. Ist das wirklich so wichtig, Killane? Unsere Freundschaft ist es doch, was zählt oder? Du bist mein treuer und ergebener Freund. Das jedenfalls ist alles, was für mich zählt, und es ist alles, was für dich zählen sollte. Laß nicht zu, daß so etwas belangloses wie Zahlen unsere Freundschaft zerstören.«
»Eher tät ich mir die rechte Hand abhack'n tun«, erklärte er.
»Nun also, dann hör auf, dir Sorgen darüber zu machen.«
»Könnt Ihr wirklich und wahrhaftig Magie fabrizier'n?« Sein Tonfall war beinah lausbübisch, und gespannte Erwartung schien sich auf seinem Gesicht abzuzeichnen.
»Wenn du es so nennen willst ja.«
»Tut was Magisches«, bedrängte er mich mit leuchtenden Augen.
»Du liebe Güte«, seufzte ich. »Also gut Killane, aber wenn ich ein paar Tricks für dich gezaubert habe, dann können wir dieses dumme Gespräch beenden, ja?«
Er nickte eilfertig.
Ich versetzte mich an einen Ort ein Stück weit hinter ihm, und er saß auf seinem Pferd und gaffte meinen plötzlich leeren Sattel an.
»Hier bin ich. Killane«. eröffnete ich ihm bedächtig.
Er drehte sich um, einen fast verängstigten Ausdruck im Gesicht.
Ich vollführte eine Geste in Richtung eines nahen Felsblocks, während ich meinen Willen sammelte. Dann ließ ich ihn frei, und der Felsen löste sich vom Boden und schwebte zehn Fuß hoch in der Luft.
Killane fuhr sichtlich zusammen, als ich ihn mit lautem Krach wieder fallenließ.
»Das war immer mein Lieblingstrick«, erzählte ich ihm und verschwand ganz langsam zu der Gestalt einer weißen SchneeEule. Ich kreiste eine kleine Weile über ihm, wobei ich ihm sachte mit meinen Schwingfedern übers Gesicht strich. Dann nahm ich erneut meine eigene Gestalt an und stieg wieder auf mein Pferd. »Zufrieden?« fragte ich meinen zitternden Freund.
»Mehr als zufrieden, Melady«, versicherte er mir. »'s war wunderbar mit anzuseh'n.«
»Es freut mich, daß es dir gefallen hat. So, können wir jetzt nach Vo Mandor Weiterreisen? Wenn wir uns beeilen, kommen wir rechtzeitig zum Abendessen.«
K APITEL 18
Im nächsten Frühjahr verstarb Graf Mangaran, und ich eilte nach Vo Astur, um seinen unlängst bestatteten Leichnam zu untersuchen. Ich wollte mich vergewissern, daß Asranas simple Lösung für die Beseitigung unliebsamer Personen nicht einem von uns widerfahren war. Meine Untersuchungen des Körpers meines Freundes ergab indes, daß er eines natürlichen Todes gestorben war.
Olburton, der Tunichtgut, der Mangarans Erbe war, hatte die Macht in Vo Astur an sich gerissen, aber der größte Teil des übrigen Arendien stand unter der Kontrolle von Nerasin, Herzog Oldorans Neffen. Die rechtliche Lage war ausgesprochen verworren. Oldoran war nie
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