Polgara die Zauberin
Eurer Verteidigung eilen, aber es will mir scheinen – und Gonerian und Kanallan pflichten mir aus vollstem Herzen bei –, Ihr müsset einen unbesiegbaren Ritter zu Eurer unmittelbaren Verfügung haben, um sogleich jedwede freche Büberei, kaum sie das häßliche Haupt erhebt, zu sühnen.«
Es war ihm so ernst damit, daß ich es nicht übers Herz brachte, ihn auf das Offensichtliche hinzuweisen. Jemanden, der mich beschützte und verteidigte, benötigte ich etwa so dringend wie einen dritten Fuß. Je länger ich indes darüber nachdachte, desto deutlicher erkannte ich, daß ein ›sportliches Ereignis‹, besonders eins mit ritualisierter Gewaltanwendung, einen recht guten Ersatz für echten Krieg darstellen konnte – für den Fall, daß sich noch jemand nach der ›guten alten Zeit‹ sehnen sollte.
Aufgrund seiner zentralen Lage entschlossen wir uns, das Turnier auf einem Feld neben dem großen Arendischen Markt abzuhalten. Tribünen für die Zuschauer wurden gezimmert, Kampfbahnen für Waffengänge mit Lanzen und Streitrössern errichtet und da ich es für bitter nötig hielt, brachte ich zur Behandlung der Verletzten die gesamte Belegschaft des Kollegs für praktische Medizin in Sulturn mit.
Da die Feierlichkeiten zu meiner Ehre veranstaltet wurden, konnte ich die gefährlichsten Kampfarten verhindern. Es ging nicht ohne Murren ab, aber ich war der festen Überzeugung, daß eine Tavernenschlägerei mit Männern in voller Rüstung die Kapazität unseres Feldlazaretts überschreiten könnte. Desgleichen untersagte ich den Gebrauch von Streitäxten und Morgensternen und bestand auf stumpfen Lanzen. Wie man sich denken kann, bildeten die erlesenen, formvollendeten Waffengänge, das Herz des Turniers – farbenprächtige Spektakel, während derer Ritter in glänzender Rüstung und roten, goldenen oder blauen Waffenröcken auf dem sattgrünen Rasen gegeneinander anritten, um sich mit zwanzig Fuß langen Lanzen aus dem Sattel zu heben. Weil selbst dem Gewinner eines solchen Waffengangs wahrscheinlich noch Stunden nach seinem Sieg der Kopf dröhnte, setzten wir andere Darbietungen dazwischen an, so daß die Ritter sich erholen konnten. Die Freisassen konnten sich im Bogenschießen messen, die Ingenieure schleuderten Katapultgeschosse auf Entfernung und Zielgenauigkeit, die Leibeigenen und Freien maßen sich im Gewichtheben, Baumstammwerfen und Steineschleudern. Außerdem gab es noch andere Unterhaltung wie Jonglieren, Singen und Tanzen.
Es war alles sehr festlich, aber es dauerte Wochen, und natürlich mußte ich die ganze Zeit huldvoll lächelnd beiwohnen, wobei ich mir überlegte, was wohl der Siegespreis für übermenschliche Geduld wäre.
Schließlich stand, wie es sich bereits seit der ersten Runde der Waffengänge abgezeichnet hatte, der endgültige Sieger fest, der damalige Baron von Mandor, ein muskelbepackter mimbratischer Ritter mit Namen Mandorathan. Ich kannte ihn recht gut, da mein Vater mich aufgefordert hatte, ein Auge auf die Familie zu haben.
Vater hatte ganz offensichtlich mit den Mandors etwas vor.
Ich mochte Mandorathan – nachdem ich ihn einmal davon überzeugt hatte, daß er nicht jedesmal auf die Knie fallen mußte, wenn ich den Raum betrat. Ein Mann in voller Rüstung ist dabei immer so laut. Ich bemerkte allerdings tatsächlich, daß die Höflichkeit an meinem ›Hof‹ neu erblühte, wenn mein voll gerüsteter Kämpe unheilvoll um sich blickend hinter meinem Sessel stand. Meine Vasallen verfügten zwar inzwischen über recht gute Manieren, aber Mandorathans Gegenwart bewog sie, diese Manieren zu polieren, bis sie förmlich glänzten.
Das achtundzwanzigste Jahrhundert war eine Epoche des Friedens und Wohlstands für Arendien, und mein Herzogtum blühte und gedieh, was gewiß auch daran lag, daß meine Vasallen meinem Beispiel folgten und ihre Böden düngten. Es gibt viele Seen in Sendarien, und die meisten werden von Torfmooren umschlossen. Ich hatte auf der Insel der Winde entdeckt, daß in die Ackerkrume eingepflügter Torf Wunder vollbrachte, und wenn das Wetter auch seinen Segen gab, ernteten wir in meinem Herzogtum mehr als im vorangegangenen. Ich führte neue Getreidesorten ein und brachte neue Viehrassen aus Algarien ins Land. Ich entführte aus Onkel Beldins Bibliothek alle Abhandlungen über Landwirtschaft – größtenteils von Gelehrten der Universität von Melcene verfaßt – und ich wandte in meinem Herrschaftsgebiet die fortschrittlichsten Ackerbautechniken an. Ich baute
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