Polgara die Zauberin
schien meine Argumente nachvollziehen zu können, und nachdem wir etwa eine Meile gebraucht hatten, um uns aneinander zu gewöhnen, fiel er in einen sanften Kanter, der die Meilen förmlich fraß.
»Das ist viel besser als zu Fuß gehen, Tante Pol«, bekannte Geran nach einer Weile begeistert. »Ich wette, meine Füße sind heute abend nicht wund.«
»Nein, deine Füße vermutlich nicht, aber womöglich ein anderer Körperteil.«
Geran und Knappe verstanden sich praktisch auf Anhieb, und ich hatte das Gefühl, daß das eine gute Sache war. Der junge Prinz trug eine schwere Last auf seinen jungen Schultern, und die Freundschaft mit unserem Pferd lenkte seine Gedanken davon ab.
Nach zwei Tagen erreichten wir Sulturn, aber ich mied die Stadt und nahm lieber ein Zimmer in einem Landgasthof als in einem der prächtigeren Gasthäuser in der Stadt selbst. So erschien es mir sicherer.
Während der nächsten Tage hielten wir uns weiterhin in Richtung Nordosten. Ich verbrachte einen Großteil der Zeit damit, Geran in der hohen Kunst des Unauffälligbleibens zu unterweisen. In diesem Sinne färbte ich ihm auch das sandfarbene Haar schwarz. Immerhin lag es ja im Bereich des Möglichen, daß Ctuchiks Grolims wußten, daß praktisch jeder aus dem Geschlecht von Eisenfaust und meiner Schwester dieselbe Haarfarbe hatte, und daß sie deshalb nach blonden kleinen Jungen suchen würden. Außerdem verbarg ich die verräterische weiße Locke in meinem Haar durch eine komplizierte Flechtfrisur. Sollte zufällig ein Grolim nach einer Dame mit einer weißen Haarsträhne und einem Jungen mit sandfarbenem Haar Ausschau halten, würde er uns übersehen.
Als wir uns Medalia in Zentralsendarien näherten, trug der Suchgedanke, den ich fast ständig vor uns herschweifen ließ, Frucht. Ich bekam ein kurzes Aufflackern jenes stumpfen Schwarz mit, das einen Angarakaner kennzeichnet. Es war nicht das glänzende Schwarz eines Grolims, aber zu diesem Zeitpunkt wollte ich lieber überhaupt keinem Angarakaner begegnen, sei er nun Murgo, Nadraker oder Thull.
Ich lenkte Knappe in einen Seitenweg, und Geran und ich umgingen Medalia und ritten auf Nebenstraßen nach Nordosten weiter. Ran Horbs Hauptstraßen mieden wir völlig.
Alles in allem brauchten wir etwa zwei Wochen, um an den Eratsee zu gelangen. Gegen Abend versteckte ich Geran und Knappe in einem Dickicht am Südufer des Sees, begab mich ein wenig abseits und kleidete mich in weiße Federn. Ich würde nicht ahnungslos hereinmarschieren, ohne es mir vorher genau anzuschauen, und Eulen können im Dunkeln ausgezeichnet sehen.
Das Ostufer des Eratsees war in jenen Tagen nur äußerst dünn besiedelt, und bald hatte ich all meine Nachbarn ausgemacht. Wie sich herausstellte, hielten sich zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Fremde in der Gegend auf. Ich schloß also, daß wir gefahrlos die von mir errichtete Barriere durchqueren und uns hinter den Mauern meines Hauses in Sicherheit bringen konnten. Ich flog auf der Stelle hin und teilte meinen Rosenbüschen mit, daß ich zurückgekehrt und sehr froh wäre, wenn sie einen Pfad für mich öffnen könnten. Dann kehrte ich zurück, um meinen Neffen und sein Pferd zu holen.
Es war beinah Mitternacht, als Knappe durch die Furt südlich meines Hauses watete. Wir ritten weiter bis zum Rande des Dickichts und dann weiter durch den schmalen Durchlaß, den meine Rosen uns geöffnet hatten.
»Es ist ein sehr großes Haus, nicht wahr?« bemerkte Geran ein wenig beunruhigt. »Aber ist es nicht ein bißchen dunkel?«
»Niemand wohnt dort, Geran«, gab ich zurück. »Überhaupt niemand?«
»Keine Menschenseele.«
»Ich habe noch nie irgendwo gelebt, wo es überhaupt keine anderen Leute gibt, Tante Pol.«
»Wir möchten keine anderen Leute um uns haben, Geran. Das ist wichtig.«
»Nun –« Er klang ein wenig unsicher. »In dem Haus spukt es doch nicht, Tante Pol, oder? Ich glaube nicht, daß ich in einem Spukhaus wohnen möchte.«
Ich verkniff mir ein Lächeln. »Nein, Geran«, beruhigte ich ihn. »In dem Haus spukt es nicht. Es ist nur leer.«
Er seufzte. »Ich glaube, ich werde lernen müssen, ein paar Sachen zu tun, an die ich nicht gewöhnt bin«, erklärte er.
»Aha? Zum Beispiel?«
»Na ja, wir werden Feuerholz und solche Dinge brauchen, nicht wahr? Ich bin nicht sehr geschickt mit Werkzeugen, Tante Pol«, beichtete er mir. »In Großvaters Zitadelle gab es alle möglichen Diener, so daß ich nie gelernt habe, eine Axt oder einen Spaten oder so etwas zu
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