Polgara die Zauberin
sprechen, und deshalb hätte ich auch nicht so damit herausplatzen dürfen und es einfach so ansprechen, oder?«
»Ist schon gut, Geran«, sagte ich. »Wir gehören zur selben Familie, deshalb müssen wir nicht so förmlich miteinander sein, nicht wahr? Laß uns dorthin zwischen die Bäume gehen. Der Strand ist frei einzusehen, und schließlich haben wir Feinde, die nach uns suchen.«
»Wie du meinst, Tante Pol.«
Wir hielten uns vom Strand aus grob in Richtung Sulturn, immer auf den Nebenstraßen und Trampelpfaden. Ich kaufte Nahrungsmittel auf einem abgelegenen Gehöft, und der junge Prinz und ich schlugen unser erstes Nachtlager auf. Nachdem der Junge in meinen Armen eingeschlafen war, begann ich über unser weiteres Vorgehen nachzudenken. Wir hatten an jenem Tag keine allzu große Strecke zurückgelegt und ich wollte unbedingt schnell tiefer ins Binnenland vorstoßen. Dieser offen einsehbare Strand war für meinen Seelenfrieden immer noch viel zu nah.
Ich verabschiedete mich sofort von dem Gedanken, ›herumzupfuschen‹. Vaters Warnung bezüglich der Grolims kam der Wahrheit vermutlich sehr nah, und ›Herumpfuschen‹ macht einen charakteristischen Lärm, der jeden Grolim in Sendarien auf uns aufmerksam machen würde. Geran war ein kräftiger kleiner Bursche, aber seine Beine waren eben noch nicht allzu lang. Fußmärsche brachten uns daher nicht so schnell fort von diesem Strand, wie ich es gern gehabt hätte. Offensichtlich benötigten wir ein Pferd. Ich schaute in die Börse, die ich immer unter meiner Kleidung versteckt bei mir trage, und fand heraus, daß ich genug Geld bei mir hatte. Dann schickte ich einen Gedanken auf die Suche nach einem Bauernhof von hinreichender Größe an der vor uns liegenden Straße. Glücklicherweise fand ich das Gewünschte nur wenige Meilen voraus.
In jener langen Nacht döste ich von Zeit zu Zeit ein. Unter den gegebenen Umständen wäre ein tiefer Schlaf vermutlich nicht das Richtige gewesen. Als dann die Dämmerung den Horizont im Osten erhellte, schürte ich unser kleines Feuer und begann uns ein Frühstück zu kochen.
»Guten Morgen, Tante Pol«, sagte Geran, als der Duft des Essens ihn weckte. »Weißt du, ich habe großen Hunger.«
»Kleine Jungen haben immer Hunger, Geran.«
»Wie weit ist es noch bis zu deinem Haus?«
»Fast dreihundert Meilen.«
»Meine Füße sind schon ganz wund, Tante Pol. Ich bin es nicht gewöhnt, so viel zu Fuß zu gehen.«
»Bald wird es leichter, Geran«, versicherte ich ihm. »Nur ein kleines Stückchen weiter gibt es einen Bauernhof. Dort kaufe ich ein Pferd, und dann können wir reiten.«
»Das ist eine sehr gute Idee, Tante Pol.« Es schien ihn wirklich zu begeistern.
Als wir an dem Gehöft angelangt waren und ich mir das Pferd ausgesucht hatte, das ich haben wollte, bekamen wir ein kleines Problem.
»Ähm – die Münzen hier sind sehr alt Ma'am«, sagte der Bauer zweifelnd. »Ich glaube, ich habe noch nie so alte gesehen.«
»Ich habe sie geerbt, guter Mann«, log ich rasch. »Meine Familie ist ein bißchen geizig, und wenn sie einmal eine Münze in den Fingern haben, geben sie sie so schnell nicht wieder her.«
»Das ist ein löblicher Charakterzug, aber ich weiß wirklich nicht was diese Münzen in heutigem Geld wert sind.«
»Silber ist Silber, guter Mann. Das Gewicht ist das Entscheidende, nicht wessen Gesicht auf die Vorderseite geprägt wurde.«
»Na ja – ich nehme an, Ihr habt recht. Aber –«
»Ich bin wirklich ziemlich in Eile, Freund. Mein Neffe und ich müssen unbedingt vor Ende dieser Woche in Sulturn sein. Warum lege ich nicht einfach drei von diesen Münzen drauf, um einen möglichen Wertverlust wettzumachen?«
»Ich möchte Euch nicht gern übervorteilen, Ma'am.« Ich hatte auf eine sehr handfeste Weise den sendarischen Nationalcharakter geprägt, und nun rächte es sich.
Zu guter Letzt einigten der ehrliche Bauer und ich uns auf zwei zusätzliche Münzen, und ich wurde stolze Besitzerin eines gescheckten Grauen namens Knappe. Der gute Bauer legte noch einen ziemlich durchgesessenen Sattel drauf, und Geran und ich machten Anstalten, wegzureiten. Zuerst jedoch mußte ich mich mit Knappe unterhalten, der den ganzen Winter über nicht geritten worden und daher ziemlich übermütig war. Ich faßte ihn – fest – am Kinn und sah ihm geradewegs in seine großen Augen. »Benimm dich, Knappe«, riet ich ihm. »Bocken und ausschlagen kannst du, wenn du alleine bist. Du möchtest mich doch wirklich nicht verärgern, oder?«
Er
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