Polgara die Zauberin
komisch geformte Augen.«
»Narben auf den Wangen?« bedrängte ich ihn mit sinkendem Mut.
»Jetzt wo du es erwähnst – ja, die hatte er. Er trug ein schwarzes Gewand, das staubig wirkte. Na ja, er war wirklich neugierig. Er wollte wissen, wann Großvater nach Muros gekommen war, und auf dich war er wirklich wild. Er hat dich sehr gut beschrieben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wann er dich getroffen hat, denn du verläßt ja fast nie das Haus.«
»Irgend jemand hat ihm von mir erzählt, Alten. Geh zurück in die Gerberei und hol deinen Vater, und dann suche auch deinen Großvater. Er dürfte irgendwo draußen in den Viehpferchen sein. Sag ihnen beiden, es sei sehr dringend. Wir müssen uns alle zusammensetzen und reden. Oh, noch eins. Halt dich fern von dem Fremden mit dem Narbengesicht.«
»Jawohl, Tante «, sagte er, bereits auf dem Weg zur Tür.
Ich wußte, es würde Einwände geben – ziemlich heftige Einwände –, und so tat ich etwas, zu dem ich lange nicht mehr gezwungen gewesen war. Ich versuchte nicht, vernünftig mit meiner wachsenden Familie zu reden; ich erteilte Befehle. »Ein Murgo ist in der Stadt«, erzählte ich ihnen, als sie sich alle eingefunden hatten. »Er hat Erkundigungen über uns eingezogen. Wir müssen die Stadt unverzüglich verlassen.«
»Das ist ein ungünstiger Zeitpunkt, Tante Pol«, wandte Davon ein. »Mein Vorarbeiter im Schusterladen hat gerade seine Arbeit niedergelegt. Ich muß erst einen Ersatz für ihn beschaffen, bevor ich irgendwohin gehen kann.«
»Überlaß das dem neuen Besitzer.«
»Was für einem neuen Besitzer?«
»Dem Kerl, der deinen Laden kauft.«
»Ich verkaufe mein Geschäft nicht!«
»Dann brenn es nieder.«
»Wovon redest du eigentlich?«
»Ich rede davon, das Leben dieser Familie zu erhalten, Davon. Wenn Murgos Fragen über uns zu stellen beginnen, packen wir unsere Sachen und ziehen weg.«
»Ich habe mein ganzes Leben in dieses Geschäft gesteckt! Es ist überaus wichtig für mich!«
»So wichtig, um dafür zu sterben? Wichtig genug, um Alnana und Alten dafür zu töten?«
»Wovon redest du überhaupt?«
»Erzähl ihm, was sich im Jahre 4002 auf dem Strand von Riva zugetragen hat, Geran.«
»Sie hat recht, Davon«, sagte Geran zu seinem Sohn. »Wenn Ctuchiks Leute uns auf die Spur kommen, laufen wir weg – oder sterben. Ganz Cthol Murgos will uns umbringen.«
»Aber das hier ist unser Leben!« protestierte Alnana, den Tränen nahe.
»Und es wird unser Grab sein – wenn wir bleiben«, erklärte Geran schroff. »Wenn wir uns nicht davonmachen – und zwar auf der Stelle – ist keiner von uns mehr am Leben, bevor diese Woche zu Ende geht.« Er starrte zur Decke hoch. »Oldrik, der Graf von Muros, ist mein Freund. Ihm werden wir das Familiengeschäft übergeben. Er wird es für uns verkaufen und das Geld an die königliche Schatzkammer in Sendar überweisen.«
»Du willst doch unser Lebenswerk gewiß nicht einfach so dem König schenken, Vater!« explodierte Davon.
»Nein, das werde ich nicht. So patriotisch bin ich nun wieder auch nicht. Tante Pol besitzt ein Vermögen, das der König verwaltet. Fürs erste fügen wir unser Geld dem Ihren hinzu – bis wir einen neuen Platz gefunden haben, an dem wir uns verstecken können.«
»Warum bringen wir den Murgo nicht einfach um?« meinte Alten.
»Interessante Idee, Alten«, erwiderte ich kühl. »Bist du gut im Ermorden anderer Menschen? Hast du viel Übung darin?«
»Na ja –« Er stockte.
»Das dachte ich mir. Also gut Geran. Geh und rede mit Oldrik.«
»Morgen in aller Frühe, Tante Pol.«
»Nein, Geran. Jetzt sofort. Ich schreibe eine kurze Nachricht an den König mit jenem Kennwort, damit er weiß, was er mit dem Geld machen soll. Morgen früh werden wir schon meilenweit von Muros entfernt sein. Davon, du und Alten geht jetzt zurück in den Schuhladen. Erzähl deinen Schustern, es sei etwas dazwischengekommen. Nenn es meinetwegen einen familiären Notfall, aber werde nicht zu konkret. Sag ihnen, wir müßten nach Camaar gehen.«
» Gehen wir denn nach Camaar, Tante Pol?«
»Selbstverständlich nicht, aber ich will, daß dieser Murgo das glaubt. Oh, übrigens, Geran, sag Oldrik, er soll auch dieses Haus verkaufen. Wir werden es nicht mehr brauchen.«
»Wohin gehen wir denn wirklich, Tante Pol?« fragte Alten mich.
»An einen Ort, wo Rosen wachsen«, gab ich ihm lächelnd zu Antwort.
Geran seufzte.
»Sieh es doch einmal so, Geran«, sagte ich, »diesmal hast du Hilfe beim Hausputz.«
Und genau das taten
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