Polgara die Zauberin
bemerkte Alten bei ihrer Rückkehr. »Sind diese Nordstädte alle so beengt?«
»Keine Kühe«, erläuterte ich.
»Ich kann dir nicht ganz folgen, Pol«, gestand er.
»Muros hat breite Straßen, weil die Algarer von Zeit zu Zeit Viehherden durch die Stadt treiben. Die Häuser in den Nordstädten sind so eng aneinandergebaut, um Geld zu sparen. Wenn du dein Haus zwischen zwei anderen errichtest, stehen die Seitenwände schon. Du mußt also nur noch eine Vorder und eine Rückwand und natürlich das Dach bauen.«
»Du nimmst mich auf den Arm, nicht wahr, Tante Pol?« warf er mir vor.
»Würde ich das tun, Alten?«
Davon begeisterte sich dafür, ein Haus für uns bauen zu lassen, aber ich riet ihm davon ab. »Wir sind ständig auf der Flucht Lieber«, erinnerte ich ihn. »Immer, wenn die Gefahr der Entdeckung besteht, müssen wir von neuem die Flucht ergreifen. Wenn du ein Haus baust, gehst du eine Bindung ein, und diese Bindung kann sich als fatal erweisen. Wenn es Zeit zur Flucht ist, kannst du nichts brauchen, was dich zurückhält. Dieser Gasthof wird genügen, bis wir etwas Passendes finden, das schon steht.«
»Ich gehe auf Erkundung, Tante Pol. Ich werde mich ohnehin draußen umsehen müssen.«
»Ach?«
»Ich muß mir Arbeit suchen.«
»Eine neue Schuhfabrik?«
»Ich weiß nicht. Ich vermute, ich kann darauf zurückgreifen, wenn es sein muß. Aber es scheint mir keine schlechte Idee zu sein, mal etwas Neues auszuprobieren. Dieser neugierige Murgo drüben in Muros hat wahrscheinlich alles über unser Familienunternehmen herausgefunden und an Ctuchik weitergegeben.«
»Dessen bin ich gewiß.«
»Dann lassen wir also besser die Finger von Gerbereien und Schusterläden. Würde ein Murgo da nicht zuerst nachforschen?«
»Mit großer Wahrscheinlichkeit. Du hast deine Lektion gelernt Davon.«
»Du hast sie uns ja lange genug eingebleut, Tante Pol. Wir können ein Leben führen wie andere Menschen – bis zu einem gewissen Punkt. Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß wir unsere Augen und Ohren offenhalten müssen, nicht von unserer Bahn abweichen und keine Aufmerksamkeit erregen dürfen.«
»Das dürfte es annähernd zusammenfassen, ja.«
»Ich sollte das wahrscheinlich nicht sagen, aber Vater konnte das nicht besonders gut. Manchmal schien er zu vergessen, daß wir unauffällig bleiben müssen.« Er hielt seine rechte Hand in die Höhe und besah sich den blassen Fleck auf seiner Handfläche. »Sollte ich dieses Geburtsmal verstecken, Tante Pol?« sinnierte er. »Weiß Ctuchik davon?«
»Das weiß ich nicht genau. Könnte sein.«
»Dann verberge ich es lieber. Ich bin schließlich Gerber. Ich weiß alles über Mittel, die die Hautfarbe verändern.« Er stand auf. »Ich glaube, Alten und ich machen noch eine Runde durch die Stadt. Ich werde langsam unruhig.«
»Ach?«
»Ich brauche Beschäftigung, Tante Pol. Ich habe jetzt schon seit Jahren kein Geld mehr verdient. Deshalb gebe ich mich besser wieder dran, ehe ich es ganz verlerne.«
»Du hörst dich an wie ein Sendarer, Davon.«
»Ich bin Sendarer, Tante Pol. So war es doch gedacht, nicht wahr?«
Ich glaube, von allen Erben von Eisenfausts Thron hatte Davon den klarsten Begriff davon, was wir wirklich taten.
Er und sein Sohn Alten streiften eine Woche oder länger durch Darine, aber dann erkältete Alten sich, und ich hieß ihn zu Hause zu bleiben. Davon ging mehrmals allein aus, und dann kehrte er an einem schneebedeckten Tag mit einem schmalen Bündel unter dem Arm in den Gasthof zurück. Alnana, Alten und ich saßen am Feuer, als er hereinkam, die Wangen rot von der Kälte.
»Was haltet ihr davon?« fragte er uns, während er den Pelz, den er trug, auseinanderrollte.
»O Davon, er ist wundervoll!« rief Alnana aus, als sie den jadeschwarzen Pelz streichelte. »So weich! Keine Kuh hat so weiches Fell. Was ist das?«
»Das ist Zobel, meine Liebe«, antwortete Davon. »Er stammt von einem großen Wiesel, das in den Bergen von Gar og Nadrak heimisch ist. Ich kenne mich ja mit Tierhäuten einigermaßen gut aus, aber so etwas habe ich noch nie zu Gesicht bekommen.«
»Vor ziemlich langer Zeit war Zobel beim Adel Nordarendiens überaus begehrt«, gab ich ihm Auskunft.
»Man braucht eine Menge davon, um einen Umhang daraus anzufertigen«, sagte er.
»Zobelumhänge waren äußerst selten, Davon. Und schrecklich teuer. Aber die meisten Damen nannten einen Mantel mit Zobelkragen und Ärmelaufschlägen ihr eigen. Zobel war eher so etwas wie ein Accessoire als ein
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