Polgara die Zauberin
ein Murgo, der sich nach deinen Ursprüngen erkundigt. Wenn er herausfindet, daß du 4012 hergekommen bist – gerade einmal zehn Jahre nach König Goreks Ermordung –, und daß ich bei dir war, würde unsere ganze mühsam aufgebaute Tarnung zusammenbrechen.«
»Du machst dir zu viele Gedanken.«
» Irgend jemand muß sich ja Gedanken machen! Für einen Murgo würde an der Geschichte zu viel zusammenpassen, als daß er es für einen Zufall halten könnte – dein Alter, dein Aussehen, meine Anwesenheit sowie die Tatsache, daß ich nicht älter werde. Er würde Verdacht schöpfen, und er würde damit zu Ctuchik laufen. Ctuchik kennt keine Skrupel, Geran. Solange er auch nur den geringsten Verdacht hegt, du könntest ein Überlebender des Blutbades von Riva sein, läßt er dich und deine ganze Familie ermorden. Ist es so wichtig für dich, dich in irgend so ein blödes Amt wählen zu lassen?«
»Ich kann es mir leisten, Leibwächter anzuheuern. Ich kann meine Familie beschützen.«
»Warum hängst du dir nicht gleich ein Schild um den Hals, auf dem ›König von Riva‹ steht? Leibwächter, Geran? Warum stellst du nicht auch Trompeter an, die es mit Fanfarenstößen von den Dächern verkünden?«
»Ich könnte soviel für die Stadt und ihre Bewohner tun, Tante Pol!«
»Das weiß ich doch, aber Muros geht dich im Grunde nichts an. Riva ist die Stadt, an der dir etwas liegen sollte. Eines Tages wird einer deiner Nachkommen auf dem Thron dort sitzen. Darüber kannst du dir Sorgen machen, nicht über Straßenreparaturen und Abfallbeseitigung in einer staubigen Stadt in der sendarischen Ebene.«
»Nun gut, Tante Pol«, sagte er, sichtlich verärgert. »Du mußt es mir nicht immer wieder um die Ohren schlagen. Ich werde mich bei Oldrik entschuldigen und behaupten, ich sei jetzt zu beschäftigt, um Reden gegen bestechliche Beamte schwingen zu können.«
»Oldrik?«
»Der Graf von Muros. Wir sind offengestanden recht eng befreundet. Er bittet mich hin und wieder in gewissen Angelegenheiten um meinen Rat.«
»Du liebe Güte.« seufzte ich.
»Ich kann mich nicht in eine Höhle verkriechen, Tante Pol«, beklagte er sich. »Die Stadt Muros ist gut zu mir gewesen. Ich sollte etwas tun, um mich dafür erkenntlich zu zeigen.«
»Stifte einen öffentlichen Park oder eröffne ein Hospital für die Armen. Aber laß dich nicht in die Politik hereinziehen.«
Er seufzte. »Wie du meinst, Tante Pol«, gab er sich geschlagen.
Trotz meines Einschreitens, das ihn von dem städtischen Amt fernhielt, wurde Geran für meinen Geschmack bei weitem zu bekannt in Muros. Ich bekam allmählich das unbehagliche Gefühl, früher oder später könnte sich einer von Ctuchiks Handlangern doch entschließen, einen Blick auf die Herkunft dieses ›ersten Bürgers‹ zu werfen. Ich begann also Pläne zu schmieden.
Wie sich herausstellen sollte, war das keineswegs verfrüht. Es war vielmehr zu spät.
Der junge Alten wuchs heran, und als er zwölf war, erreichte er fast die Größe seines Vaters. Hin und wieder kehrte in einem der Erben, die ich großzog, die Urform wieder, vielleicht, um mich daran zu gemahnen, daß noch immer das Blut Bärenschulters in ihren Adern rann. Alten durchlief gerade eine jener schlaksigen Entwicklungsphasen, die alle Heranwachsenden männlichen Geschlechts zu erdulden haben. Manchmal wollte es mir beinah scheinen, als könne ich ihn wachsen sehen. Er war etwa vierzehn, glaube ich, als er eines Nachmittags mit einem verwirrten Ausdruck im Gesicht heimkam. »Sind wir wichtige Leute, Tante Pol?« fragte er mich.
»Dein Großvater schien vor ein paar Jahren dieser Ansicht zu sein«, gab ich ihm zur Antwort. »Er wollte sich für die Wahlen zum Stadtrat aufstellen lassen.«
»Das wußte ich ja gar nicht.«
»Ich habe es ihm ausgeredet. Woher stammt dieses plötzliche Interesse für Ruhm, Alten? Du bist ein Schusterlehrling. Du wirst berühmt werden, wenn du gute Schuhe machst.«
»Der Schuster, bei dem ich in die Lehre gehe, hat heute morgen seine Lieblingsnadel zerbrochen«, führte er aus. »Er hat mich losgeschickt, ihm eine neue zu kaufen. Ich war auf dem Zentralmarkt, und da war dieser Fremde, der Fragen über uns stellte.«
»Was für ein Fremder?« fragte ich rasch. Plötzlich war ich hellwach.
»Ich weiß es wirklich nicht, Tante Pol. Er war kein Tolnedrer oder Drasnier. Da bin ich mir sicher.«
»Wie sah er aus?«
»Er war ein fetter, dunkelhäutiger Mann – dunkler als ein Tolnedrer oder ein Arender –, und er hatte so
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