Polgara die Zauberin
ein hübsches blondes Mädchen namens Alnana. Sie hatte ein einnehmendes, sonniges Wesen, so daß man sie gerne um sich hatte. Eldara und ich prüften sie auf Herz und Nieren, bevor wir zu dem Entschluß gelangten, daß sie annehmbar sei. Junge Männer glauben immer, sie wären diejenigen, die diese Entscheidungen treffen würden. Dabei haben sie den Hang, gewisse Gegebenheiten zu übersehen. Der Einfluß der Frauen des Hauses bei der Auswahl der passenden Ehefrauen ist äußerst groß.
Nein. Ich werde das nicht weiter ausführen. Frauen wissen bereits Bescheid, und Männer müssen es nicht wissen.
Die Hochzeit von Davon und Alnana war das gesellschaftliche Ereignis in jenem Herbst. Unsere Familie war in Muros mittlerweile überaus bekannt, so daß wir keinen Anlaß hatten, die Angelegenheit bescheiden zu halten wie damals, als Geran aus dem Nichts aufgetaucht war, um Eldara zur Frau zu nehmen. Hochzeiten sind große Ereignisse im Leben der Kaufmannsgilde, und daher neigen die Kaufleute dazu, sie übertrieben aufwendig zu gestalten.
Nach der Eheschließung zogen Davon und Alnana in einen neuen Flügel meines Hauses. Nach meinem Geschmack war es hier jetzt ein bißchen überfüllt, aber wir kamen alle recht gut miteinander aus, so daß es nur geringfügige Auseinandersetzungen gab.
Hattan, mein lieber, lieber Freund, wurde alt genug, um noch die Geburt seines Urgroßenkels Alten im Jahre 4041 zu erleben. Dann, an einem stürmischen Frühlingsmorgen draußen in den Viehhöfen, wurde Hattan von einem mächtigen, streitlustigen algarischen Bullen aufgeschlitzt. Kühe sind ja die meiste Zeit über so dumme Tiere, daß wir zu vergessen pflegen, daß sie sozusagen stets bewaffnet herumlaufen. Hattan war fast auf der Stelle tot. Ich hätte also nichts tun können, was mich jedoch nicht davon abhielt, mir Vorwürfe zu machen. Manchmal scheint es mir, als hätte ich mein halbes Leben knietief in Selbstanklagen watend zugebracht. Das ist die Schattenseite am Studium und Beruf des Heilers. Heiler geraten immer außer sich vor Wut und Schrecken, wenn sie auf etwas stoßen, das sie nicht heilen können. Aber noch hat niemand ein Mittel gegen den Tod entdeckt, und deshalb muß ein Arzt lernen, Verluste und Niederlagen einzustecken und weiterzumachen.
Layna war natürlich untröstlich. Sie überlebte ihren Mann nicht lange. Wieder einmal dünnte der Tod die Reihen derjenigen aus, die ich am meisten liebte.
Ich tröstete mich – wie ich es so oft getan habe –, indem ich einen Großteil meiner Zeit meinem neuen Neffen widmete. Als er sechs Jahre alt geworden war, bestand kein Zweifel daran, daß er ein Mitglied jener kleinen Familie war, der ich mein Leben geweiht hatte. Wenn die drei, Geran, Davon und Alten, zusammen waren, konnten wir alle die fast spiegelbildliche Ähnlichkeit erkennen. Davon und Alten würden sich nie den Kopf darüber zerbrechen müssen, wie sie später einmal aussehen würden. Sie mußten nur Geran anschauen.
Nachdem er sein fünfzigstes Lebensjahr erreicht hatte, begann Gerans sandfarbenes Haar an den Schläfen zu ergrauen. Er sah wirklich überaus achtunggebietend aus. Es war im Jahre 4051, als die würdevolle Empfindlichkeit, welche graue Haare auch in dem dümmsten aller Männer zu wecken scheinen, Geran und mich nah an den Rand eines Streits brachte. »Man hat mich gebeten, für die Wahlen zum Stadtrat zu kandidieren, Tante Pol«, tat er mir eines Morgens kund, als wir uns allein in meinem Garten aufhielten. »Ich erwäge es ernsthaft.«
»Bist du denn völlig von Sinnen, Geran?« entgegnete ich scharf.
»Ich könnte bessere Arbeit leisten als manche der jetzigen Amtsinhaber«, verwahrte er sich. »Die meisten von denen benutzen ihr Amt doch nur dazu, sich die eigenen Taschen zu füllen.«
»Damit hast du nichts zu schaffen, Geran.«
»Ich lebe hier, Tante Pol. Mit dem Wohl der Stadt habe ich ebensoviel zu schaffen wie jeder andere Bürger hier.«
»Wer hat denn diesen idiotischen Vorschlag aufgebracht?« wollte ich wissen.
»Der Graf von Muros höchstpersönlich«, verkündete er mit stolzgeschwellter Brust.
»Benutz deinen Verstand, Geran!« wies ich ihn an. »Du darfst keine Aufgabe übernehmen, die die Aufmerksamkeit so auf dich lenkt.«
»Soviel Aufmerksamkeit schenken die Leute den Ratsmitgliedern gar nicht, Tante Pol.«
»Du sprichst von den Einheimischen. Fremde – Murgos eingeschlossen – schenken den Menschen, die an der Macht sind, eine Menge Aufmerksamkeit. Alles, was wir brauchen, wäre
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