Polgara die Zauberin
Alten ließ sich nicht umstimmen. Davon kaufte weiterhin Felle von Nadrakern und gelegentlich von Drasniern ein, und Alten verwandelte diese Felle weiterhin in Gewänder und Kleidungsstücke, die sich prächtig verkauften. Alnana starb im Jahre 4077, und Davon verfiel zusehends nach ihrem Tod. Das kommt häufiger vor, als man denken möchte. Manchmal rafft der Kummer einen schneller dahin als jede Krankheit.
Im Jahr 4080 suchte eine dieser Seuchen, welche die alte Welt häufig plagten, das Dorf Darine heim. Sie löschte beinah die Hälfte der Bevölkerung aus. Auch Davon, Alten und Ellette fielen ihr zum Opfer. Trotz meiner verzweifelten Bemühungen starben sie alle innerhalb weniger Stunden. Dies war das einzige Mal, daß ich nicht vor einem aufdringlichen Murgo floh. Ich floh vielmehr vor der Pest. Unmittelbar nach der Beisetzung schloß ich Haus und Geschäft, nahm alles Geld, was ich herumliegen fand, sowie den kleinen Geran und ließ Darine hinter mir. Ich ging – wie konnte es anders sein – in mein Haus am See.
Wir blieben mehrere Jahre lang dort, und um uns die Zeit zu vertreiben – und für die Zukunft vorzusorgen – lehrte ich den jungen Geran die Grundlagen der Heilkunst. Er war ein aufmerksamer, wenn auch kein begnadeter Schüler, und ich faßte einige Hoffnungen für seine Zukunft. Als wir jedoch unsere Klause verließen und ich ihm eine Praxis in Medalia einrichtete, wurde mir klar, daß er nie ein erstklassiger Arzt werden würde. Ihm schien es an der Fähigkeit zu mangeln, die Krankheiten zu erkennen, mit denen seine Patienten zu ihm kamen.
Er heiratete spät – Mitte dreißig etwa –, und seine Frau gebar ihm einen Sohn, um die Blutslinie fortzusetzen, und auch vier Töchter.
Trotz meiner Enttäuschung über Gerans Fähigkeiten gebe ich zu, daß seine Mittelmäßigkeit als Arzt unserem übergeordneten Ziel besser diente, als es der Fall gewesen wäre, wenn er es zu einem weltberühmten Heiler gebracht hätte. Er verdiente genug, um uns alle zu ernähren. Das war aber auch schon alles. Es trug indes dazu bei, die Erwartungen seines Sohnes zu dämpfen. Der erste Geran war ein Prinz gewesen, und Davon und Alten außergewöhnlich wohlhabende und erfolgreiche Geschäftsleute. Der zweite Geran war in seinem Beruf fast ein Versager, und deshalb wuchs sein Sohn auch nicht in einem reichen Haus und umgeben von Dienstboten auf. Er war allerdings geschickt mit den Händen, und so gab ich ihn im Alter von zwölf Jahren bei einem Tischler in die Lehre. Die Umstände schienen Hattans großen Plan, Eisenfausts Erben in Vergessenheit geraten zu lassen, zu begünstigen.
Im Laufe der nächsten Jahrhunderte lernte ich nahezu jedes Handwerk und Gewerbe in Sendarien kennen. Ich zog Küfer und Weber, Steinmetze und Kunsttischler, Hufschmiede und Maurer groß. Meine jungen Neffen waren allesamt ernsthafte, sehr zurückhaltende Handwerksleute, die stolz auf ihre Arbeit waren, und von einigen seltenen Ausnahmen abgesehen, belastete ich sie nicht mit allzu vielen Einzelheiten bezüglich ihrer Herkunft. Königliches Blut bedeutet nicht sehr viel für einen jungen Burschen, der es jedesmal vergießt wenn er mit einem Werkzeug abrutscht oder sich die Knöchel aufschürft.
Wir lebten nicht gerade ein Vagabundenleben, zogen aber doch recht häufig um. Mit jeder Ortsveränderung sanken wir, so wird es manch einer sicherlich sehen, ein Stückchen tiefer, indem wir in immer kleinere Landstädtchen und Dörfer gerieten. Die Vorstellung, daß sozusagen die gesamte Nachbarschaft als Wachhund diente, gefiel mir, und außerdem funktionierte es recht gut. Ich wurde früh genug gewarnt, wann immer ein Murgo durch das Dorf reiste, in dem wir gerade wohnten, und wenn er sich länger dort aufhielt und hartnäckiger wurde, schützte ich einen ›familiären Notfall‹ vor und brachte uns in aller Eile von dort weg.
Ich lebte in einem Dorf mit dem unmöglichen Namen Hinterrundorun, das einige Meilen abseits der Hauptstraße lag, die Sendar mit Seline verband. Meine Familie zu jener Zeit bestand einzig und allein aus einem Abkömmling von Eisenfaust und Beldaran, der Darion hieß. Als mir das Gerücht über einen durchs Dorf reisenden Murgokaufmann zu Ohren kam, gewann ich die Überzeugung, ein erneuter Ortswechsel könnte sich als vorteilhaft erweisen. Diesmal entschied ich mich jedoch, die Spur zu wechseln und in eine größere Ansiedlung zu ziehen, anstatt mir ein noch kleineres Dorf mit einem noch lächerlicheren Namen zu suchen.
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