Polgara die Zauberin
nicht soeben die meine in Frage gestellt?«
Ich glaube, damit hatte er nicht gerechnet. Er mußte das erst einmal verdauen, aber dann gab er nach. »Nun denn, Euer Gnaden«, entgegnete er. »Wenn Ihr mir Euer Ehrenwort gebt daß das, was Ihr mir zeigen wollt, sich tatsächlich so zugetragen hat, bleibt mir keine Wahl, als zuzustimmen.«
»Euer Gnaden ist zu gütig.« Behutsam erforschte ich seinen Geist und fand dort eine irrationale, haltlose Angst, lebendig verbrannt zu werden. Nun hatte ich alles, was ich brauchte.
Ich ließ eine Reihe unzusammenhängender Bilder vor seinem geistigen Auge erscheinen und zwang ihn mit der Kraft meines Willens, zuzusehen, wie sie sich entfalteten. Es gab genügend ›gewöhnliche‹ Metzelei in jenen Bildern, um ihn nicht auf die Idee kommen zu lassen, ich richtete meine Bemühungen auf das eine, was er am meisten fürchtete. Die Meere von Blut und das gelegentliche Abtrennen einzelner Glieder waren indes nur so etwas wie die Sahne auf den liebevoll nachgebildeten Szenen kreischender Drasnier, die in brennenden Gebäuden gefangen waren oder lebendig von lachenden Angarakanern auf gewaltige Scheiterhaufen geschleudert wurden. Ich fügte die üblichen Entsetzensschreie hinzu und tauchte ihn in den übelkeitserregenden Gestank brennenden Fleisches ein.
Eldallan begann zu schreien und sich auf seinem Thron zu winden, aber ich machte noch so lange weiter, bis ich mir völlig sicher war, daß es keine Widerworte mehr geben würde. Ich hätte ihn noch länger dort festhalten können, aber die Anwesenheit seiner kleinen Tochter Mayaserana bewog mich, Milde walten zu lassen. Mayaserana war ein wunderschönes kleines Mädchen mit dunklem Haar und großen Augen, und ihre unfreiwilligen kleinen Schreie und Schluchzer, während ihr Vater sich stöhnend wand, zerrissen mir das Herz.
»Was hast du mit meinem Vater gemacht, böse Lady?« fragte sie mich in vorwurfsvollem Ton, als ich Eldallan aus meiner Gewalt entließ.
»Deinem Vater wird es bald wieder gut gehen, Liebes«, beschwichtigte ich sie. »Er hat nur einen Alptraum gehabt, sonst nichts.«
»Aber es ist mitten am Tag – und er schläft ja nicht einmal!«
Ich nahm sie in die Arme. »Das kommt manchmal vor, Mayaserana«, erklärte ich ihr. »Es geht ihm bald wieder gut.«
Nachdem der Herzog von Asturien sich erholt hatte, schlug Vater einen Waffenstillstand zwischen Asturien und Mimbre vor – »einen vorübergehenden Waffenstillstand, Ihr versteht, nur für die Zeit des augenblicklichen Notfalls. Wenn Ihr natürlich den Frieden mit den Mimbratern rein zufällig unterhaltsam finden solltet, werdet Ihr und Aldorigen ihn möglicherweise verlängern wollen.«
»Ihr schlagt doch gewiß keine Begegnung zwischen mir und diesem mimbratischen Schlächter vor!«
»Nur, wenn ihr beide zustimmen würdet, Euch an den entferntesten Enden eines Raumes anketten zu lassen, Eldallan. Ich werde alles mit dem sendarischen Botschafter in Vo Mimbre absprechen. Die Sendarer werden als Vermittler auftreten – zumindest so lange, bis die Angarakaner tatsächlich in Arendien einfallen. Wenn es dazu kommt, werden wir uns etwas einfallen lassen, um Euch und die Mimbrater weit entfernt voneinander auf den Schlachtfeldern aufzustellen.«
Dann begaben Vater und ich uns südwärts über die regennasse Ebene Südarendiens nach Vo Mimbre. Erneut wurde ich nahezu von Erinnerungen überwältigt. Ich glaube nicht, daß mein Vater je verstanden hat, wie tief meine Bindung zu Arendien geht. Die Arender sind ein Volk von Kindern, und ich bin auf eine sehr handfeste Weise fast sechshundert Jahre lang ihre große Mutter gewesen.
Der dunkelhaarige Herzog – der ›König‹, wie er es vorzog – Aldorigen hatte vor allem tödliche Angst vor Schlangen, was meine schöpferische Kraft auf eine harte Probe stellte, da es in Drasnien nicht sehr viele Schlangen gibt. Ich bekenne mich an dieser Stelle zu einer bewußten Fälschung. Ich sog mir einen angarakanischen ›Brauch‹ aus den Fingern, und Herzog Aldorigen fand meine imaginären Schlangengruben, in die ganze drasnische Dörfer unter lauten Entsetzensschreien geworfen worden, unterhaltsam genug, um sich zu unserer Sicht der Dinge bekehren zu lassen.
Zugegeben, das war unehrenhaft. Möchtet ihr, daß wir die Geschichte an dieser Stelle anhalten, um die nächsten ein oder zwei Wochen lang die philosophischen Implikationen des Satzes ›der Zweck heiligt die Mittel‹ zu erörtern?
Nachdem Vater Aldorigen gezwungen hatte, den
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