Polgara die Zauberin
Schlangengotts beherrschte. Vor dieser Statue erhob sich ein Podest, und auf diesem Podest stand ein eher couch als stuhlähnlicher Thron, auf dem sich Salmissra rekelte. Vor ihrem Thron knieten mehrere Dutzend gelbgewandeter Eunuchen, die im Chor Anbetungsgesänge intonierten. Die Schlangenkönigin war sehr blaß, fast kalkweiß. Sie hatte glänzendes schwarzes Haar und sonderbar farblose Augen. Ich gebe zu, daß sie schön war, und ihr gazeartiges Gewand überließ nur wenig der Phantasie. Sie nahm unsere Neuigkeiten mit reptilienhafter Gleichgültigkeit auf und machte sich nicht einmal die Mühe, den Blick von dem Spiegel abzuwenden, in dem sie sich betrachtete. »Warum sollte ich in euren Krieg mit den Angarakanern eingreifen?« fragte sie.
»Es ist nicht nur unser Krieg, Salmissra«, entgegnete ich. »Er betrifft uns alle.«
»Mich nicht. Eine meiner Vorgängerinnen mußte erfahren, wie töricht es war, sich in diese Privatfehde zwischen den Alornern und den Angarakanem hineinziehen zu lassen. Ich werde nicht denselben Fehler begehen. Nyissa wird neutral bleiben.«
Ihre blassen Augen richteten sich auf mein Gesicht und ich wußte – woher nur? –, daß diese Schlangenfrau und ich eines Tages eine Auseinandersetzung haben würden. Salmissras Blick sagte mir deutlich, daß auch sie es wußte.
Vater bemerkte nichts von diesem stummen Austausch. Frauen hatten schon immer Verständigungsmöglichkeiten, die Männer nicht einmal ansatzweise begreifen können. Vater versuchte Salmissra davon zu überzeugen, daß Urvon auf seinem Weg nach Norden Nyissa gleichsam im Vorbeigehen vernichten würde. Natürlich hätte er sich seine Worte sparen können. Salmissra kümmerte es nicht, was Nyissa widerfuhr. Ihre einzige Sorge galt sich selbst. Das war einer der Wesenszüge, den diese Erziehung in ihr verankert hatte. Ihr persönliches Überleben – und ihre persönlichen Begierden – waren alles, was für sie zählte. Ich erkannte das, auch wenn es Vater nicht klar gewesen sein sollte. Deshalb siedelte ich meine Abschiedsbemerkung auf einer persönlichen Ebene an und legte ihr nahe, wie unangenehm es doch für sie wäre, wenn sie mit zurückgerissenem Kopf auf einen blutüberströmten Altar gepreßt würde, während mehrere Grolims ihr das Herz aus der Brust schnitten.
Das weckte ihre Aufmerksamkeit.
Als Vater und ich ihren modrig riechenden Palast wieder verließen, stellte ich ihm eine Frage, die mich schon seit geraumer Zeit beschäftigt hatte. »Haben die Nyissaner irgendeine Art von Nachschlagewerk über ihre Arzneimittellehre verfaßt?«
»Nicht, daß ich wüßte«, antwortete er schulterzuckend. »Wieso?«
»Sie haben ein paar äußerst interessante Kräutermischungen. Salmissra war völlig benebelt von etwa sechs oder acht verschiedenen Rezepturen, wie ich feststellte.«
»Wirklich?« Er wirkte überrascht. »Ich dachte, das wäre ihr natürliches Wesen.«
»Das stimmt auch, aber sie nimmt noch ein paar Dinge, die es unterstreichen. Sie hat einige sehr interessante Vorlieben. Wenn das alles vorüber ist, komme ich vielleicht hier herunter und forsche ein bißchen nach. Einige dieser Kräuter könnten sich als sehr nützlich erweisen.«
»Die meisten sind giftig, Pol.«
»Viele Dinge sind giftig, Vater. Eine Überdosis der meisten Heilkräuter kann tödlich sein. Die richtige Dosierung ist der Schlüssel aller Kräutermedizin.«
»Dein guter Ruf als Ärztin könnte darunter leiden, wenn du mit Gift zu experimentieren beginnst, Pol.«
»Experimente sind der Ursprung allen medizinischen Fortschritts, Vater. Selbst wenn man anfangs einige Patienten verliert, rettet man auf lange Sicht viele.«
»Manchmal bist du so kaltherzig wie Salmissra, Pol.«
»Erkennst du das erst jetzt, Vater? Du enttäuschst mich.«
Schon gut, natürlich habe ich das nicht so gemeint. Manchmal erstaunst du mich.
K APITEL 31
»Das war nicht von Erfolg gekrönt nicht wahr, Pol?« brummte Vater, als er und ich Salmissras grellen Palast verließen und über die regennassen Straßen schritten.
»Hast du wirklich erwartet, sie würde uns mit offenen Armen willkommen heißen, Vater?« wunderte ich mich. »Weißt du, du warst in Nyissa noch nie sonderlich beliebt.«
»Nun ja«, seufzte er, »wenigstens wird sie auch Urvon nicht willkommen heißen. Vielleicht ist das das Beste, was wir erwarten konnten. Laß uns nach Maragor gehen und sehen, ob wir Maras Aufmerksamkeit erregen können.«
Es war Winter, die Regenzeit in Nyissa, doch der auf Toraks
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