Polgara die Zauberin
Gastfreundschaft meines Palastes anbieten?«
»Wir wissen Euer Angebot zu würdigen, Ran Borune«, ergriff ich das Wort, »aber es könnte Euch einige Probleme bereiten. Die Honethiter und Vorduvier könnten Kapital aus der Tatsache schlagen wollen, daß Ihr mit ›heidnischen Zauberern‹ verkehrt.«
»Ich bin hier der Kaiser, Lady Polgara, und ich verkehre, mit wem es mir verdammt noch mal gefällt. Falls das den Honethitern und Vorduviern nicht gefällt, haben sie Pech gehabt« Er warf mir einen schiefen Blick zu.
»Ihr scheint recht vertraut mit unseren kleinen Eigenarten zu sein, Mylady.«
»Ein Zeitvertreib von mir, Euer Majestät«, erwiderte ich. »Ich habe herausgefunden, daß das Lesen tolnedrischer Traktate über Politik mich fast ebenso schnell einschläfert wie arendische Heldendichtung.«
Er zuckte. »Das habe ich wohl verdient, nicht wahr?« sagte er reumütig.
»Ja, Euer Majestät das habt Ihr. Verbucht es unter lehrreiche Erfahrung. Vater erzählt mir unablässig, es sei unsere Pflicht, die Jugend zu belehren.«
»Bitte«, sagte er leichthin, »nicht mehr schlagen. Ich ergebe mich.«
»Ein weiser Entschluß, Ran Borune«, lobte ihn Vater. »Wer immer mit Pol die Klingen kreuzt, verläßt blutend das Schlachtfeld. Ich denke, wir bleiben in der cherekischen Botschaft. Ich muß mich frei bewegen können und mit mehreren Leuten Kontakt aufnehmen, so daß eine Eskorte von Palastspionen sich als ein wenig hinderlich erweisen könnte. Außerdem muß ich in Verbindung mit den alornischen Königen bleiben, und der cherekische Botschafter verfügt über ein Kriegsschiff. Wer ist der derzeitige nyissanische Botschafter?«
»Ein schleimiger Kerl namens Podiss.«
»Ich werde mit ihm sprechen. Wir sollten Salmissra informieren. Sie verfügt über ein paar Hilfsmittel, auf die ich möglicherweise später zurückgreifen muß. Deshalb möchte ich vermeiden, daß sie schmollend in der Ecke sitzt. Wir halten Euch auf dem laufenden. Macht Euch also nicht die Mühe, mir Spione auf den Hals zu hetzen.«
Dann begaben Vater und ich uns in die cherekische Botschaft. Spät in der Nacht erreichte Beltiras Stimme Vater kurz vor dem Einschlafen. Er berichtete, daß Toraks Truppen in Algarien einmarschiert seien, und dann kam er zu den wirklich schlimmen Nachrichten. Onkel Beldin hatte den Zwillingen gemeldet daß eine zweite malloreanische Armee unter Urvon sich im dalasischen Hafen Dal Zerba versammelt und bereits damit begonnen habe, sich über das Meer des Ostens nach Cthol Murgos einzuschiffen. Ganz offensichtlich hatte die Schließung der Karawanenstraßen im Norden und Süden dazu gedient, die Truppenbewegung geheimzuhalten. Jetzt mußten wir uns über zwei angarakanische Armeen den Kopf zerbrechen.
Vater und ich gingen in den Palast zurück und zwangen die Diener des Kaisers mit Gewalt, ihn zu wecken. Unsere Neuigkeiten stimmten ihn nicht allzu froh. Wir rieten ihm, seine Streitkraft flexibel zu verteilen und sich nicht auf eine Front festzulegen. Dann brachen Vater und ich nach Nyissa auf.
Ich war nie zuvor im Land des Schlangenvolkes gewesen und war nie einer der unendlich vielen identischen Salmissras begegnet. Der Schlangengott Issa hatte, anders als die übrigen Götter, nicht verschiedene Jünger angenommen wie Torak oder unser Meister, sondern all seine Liebe auf eine Dienerin, die ursprüngliche Salmissra, gewandt. Doch offenkundig war es dem trägen Issa nicht in den Sinn gekommen, ihr Leben zu verlängern, und so hatten die Nyissaner sie einfach ersetzt, als sie gestorben war. Die grundlegende Bedingung war äußerliche Ähnlichkeit mit dem Original, und eine langwierige Erziehung hatte die Persönlichkeit der ursprünglichen Salmissra auf alle späteren Kandidaten übertragen. Sie hatten gute Gründe, äußerst hart zu lernen, denn neunzehn der Kandidatinnen wurden nach der Wahl der neuen Schlangenkönigin sogleich getötet. Infolgedessen glich eine Salmissra der anderen wie ein Ei. Wie Vater es ausdrückte: »Kennst du eine Salmissra, kennst du alle.« Ich hatte keinen Grund, diese Salmissras zu mögen, aber Vater hatte mich davon überzeugt, daß wir vielleicht die ziemlich speziellen Talente der Nyissaner irgendwann im Verlauf der angarakanischen Invasion benötigen würden. Deshalb war ich höflich – eisig höflich –, als wir den schreiend bunten, schlangenverseuchten Palast in Sthiss Tor betraten.
Salmissras Thronsaal war eine dämmrig erleuchtete Halle, deren Mittelpunkt die gigantische Statue des
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