Polgara die Zauberin
man, damit man von der einen in die andere Gestalt fließen kann. An eben diesem Punkt verschmolzen Mutter und ich, und es war unser vereintes Bewußtsein, das in unsere Eule hineinfloß.
Mutters Warnung, ich könnte sie ein wenig sonderbar finden, erwies sich als stark untertrieben. Dennoch übersah sie meines Erachtens die Tatsache, daß ich, obwohl ich selbst nie die Gestalt eines Wolfes angenommen hatte, nichtsdestoweniger von meinem Erbe her, in den tiefsten Schichten meines Seins, ebenfalls zu einem Teil Wolf war.
Ich hege sogar den Verdacht, daß die Verschmelzung für mich einfacher war als für Mutter. Da ich mich noch immer gut an die Zeit vor meiner und Beldarans Geburt erinnerte, war engste Nähe – ja sogar Vereinigung – mir nicht fremd. Wenn ich es jedoch genauer bedenke, wurde auch Mutter als eine unter vielen in einem Wurf geboren und hat ähnliche Erfahrungen gesammelt.
Während Mutter und ich in die Eule flossen, kam mir ein müßiger Gedanke, und die Antwort lag direkt vor meiner Nase. Ich hatte tatsächlich Tanten und Onkel, die ich nie gekannt hatte, und nun kannte – und liebte – ich sie so, wie Mutter es getan hatte, als sie alle noch verspielte Welpen gewesen waren.
Wir putzten uns fast geistesabwesend das Gefieder, während wir uns an unser Einssein gewöhnten, und dann erhoben wir uns mit vereinten Gedanken auf schneeweißen Schwingen in die regengepeitschte Finsternis.
Wir flogen gen Norden und erblickten bald die schwelenden Lagerfeuer der angarakanischen Armee, die keine neun Meilen von der Feste entfernt ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten. Wir hielten weiter auf das Herz dieses gewaltigen Feldlagers zu, und dort entdeckten wir den eisernen Pavillon des Drachengottes. Leise ließen wir uns auf den verzierten Zinnen nieder. Natürlich war alles an dem Pavillon Zierat. Das Ganze war nicht mehr als eine auf einen sehr großen Wagen aufgepfropfte Verzierung. Toraks Ego war noch grotesker aufgebläht, als wir vermutet hatten.
Wir spähten mit unseren großen goldenen Augen umher und machten ein Fenster mit Laibung nahe der einen Turmspitze aus, ein architektonisches Detail, was wir nicht nur amüsant, sondern auch äußerst nützlich fanden. Einige wenige Flügelschläge brachten uns auf das Fenstersims, und unsere krallenbewehrten Füße fanden an seinem unteren Rand Halt. Dann zwängten wir uns hinein, wobei wir uns so dicht abschotteten, daß wir uns ganz in uns selbst zurückzogen. Es war natürlich jener innere Rückzug, der uns unsichtbar machte und verhinderte, daß auch nur der Anflug eines Gedankens nach draußen drang und Torak möglicherweise unsere Anwesenheit verriet.
»Die Unruhe nagt an mir, Zedar.« Die Stimme klang hohl, hallend, und wir sahen auch sofort, warum. Torak ruhte fast in Schlafstellung auf seinem Eisenthron, sein entstelltes Gesicht jedoch war noch immer hinter jener stählernen Maske verborgen. Die Maske, die seine Entstellung verhüllte, war zu einem Teil seiner selbst geworden.
»So ist das stets vor einer Schlacht, Meister«, entgegnete Zedar. »Ich teile Eure Unruhe.«
»Ist es möglich, daß die Berichte, die wir über das Wesen dieser algarischen Festung erhalten haben, der Wahrheit entsprechen?« fragte Torak mit seiner scharfen, hohlen Stimme.
»Die Alorner sind ein dummes Volk, Meister«, höhnte Zedar. »Gebt ihnen irgendeine leere, sinnlose Aufgabe, und sie werden sie ohne nachzudenken generationenlang verfolgen. Wie Ameisen haben die Algarer seit Äonen Felsen auf diesen lachhaften Steinhaufen getürmt.«
»Eine Unannehmlichkeit, Zedar, weiter nichts. Ich werde sie hinwegfegen und unaufhaltsam meinem Ziel entgegenschreiten. Aldurs Orb wird wieder mein sein, und mit ihm ein weiterer Siegespreis.«
»Oh?«
»Lange bin ich darüber mit mir zu Rate gegangen, Zedar, und nun habe ich mich einem Ziel verschworen. Ich werde die gesamte Welt beherrschen, und ein Juwel wird meine Krone schmücken.«
»Aldurs Orb, Meister?« riet Zedar.
»Cthrag Yaska – meines Bruders Orb – ist kein Schmuckstück, Zedar. Er ist nur ein Mittel zum Zweck. Wahrhaftig, ich sage dir, Zedar, ich hasse diesen verfluchten Stein für das, was er mir angetan hat. Das Juwel, von dem ich sprach, ist lieblicher. Ich werde der König der Welten sein, und es schickt sich, daß ein solcher König eine Königin an seiner Seite habe. Schon habe ich sie ausgewählt, die meinen Thron mit mir teilen wird.« Dann lachte er ein häßliches Lachen. »Sie ist mir nicht gewogen, aber ich
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