Polgara die Zauberin
betraten.
»Ich habe erst kürzlich von Beldarans Krankheit erfahren, Arell«, antwortete ich. »Ist Argak noch im Geschäft?«
Sie nickte. »Er ist aber so mürrisch wie eh und je, und er haßt es, vor Mittag geweckt zu werden.«
»Pech für ihn. Ich brauche ein paar Sachen aus seinem Geschäft, und wenn er mir nicht aufmachen will, werde ich Lord Brand hier seine Ladentür mit dem Schwert aufbrechen lassen.«
»Es wäre mir ein Vergnügen, Pol«, sagte Kamion lächelnd.
»Oh, noch etwas, Arell«, fuhr ich fort. »Könntet Ihr auch nach Balten schicken lassen?«
»Balten befindet sich im Augenblick im Verlies unter dem Belartempel, Pol. Ein paar Priester haben ihn letzte Nacht auf dem Friedhof ertappt. Er hatte eine Schaufel, und in seiner Schubkarre lag eine Leiche. Sie werden ihn vermutlich wegen Hexerei auf dem Scheiterhaufen verbrennen.«
»Nein. Das werden sie nicht. Holt ihn für mich dort heraus, Kamion, seid Ihr so lieb?«
»Selbstverständlich, Pol. Möchtet Ihr, daß ich den Tempel in Stücke haue?«
»Versucht nicht, witzig zu sein, Kamion«, wies ich ihn harsch zurecht.
»Nur ein kleiner Scherz, um die Spannung zu lockern, Mylady.«
»Scherzen könnt Ihr in Eurer Freizeit. An die Arbeit alle miteinander!«
Kamion machte sich auf den Weg zum Tempel des Belar, und Arell und ich begaben uns zu Argaks Kräuterladen. Ich ging nicht besonders zartfühlend vor beim Aufwecken meines früheren Lehrers. Nachdem Arell und ich fünf Minuten lang gegen seine Ladentür getrommelt hatten, setzte ich einen Donnerschlag in sein Schlafzimmer im Obergeschoß. Donnerschläge sind in freier Natur schon sehr beeindruckend. Einen Raum mit einem zu teilen, garantiert rasches Erwachen. Das Steinhaus bebte immer noch in seinen Grundfesten, als Argaks Fenster aufflog und er über uns auftauchte. »Was war denn das?« fragte er. Seine Augen waren weit aufgerissen, die spärlichen Haarreste standen zu Berge, und er zitterte heftig am ganzen Leib.
»Lediglich ein kleiner Weckruf, liebster Lehrer«, begrüßte ich ihn. »Und jetzt kommt herunter und öffnet die Ladentür, bevor ich Kleinholz daraus mache.«
»Es besteht keine Notwendigkeit gewalttätig zu werden, Pol«, sagte er beschwichtigend.
»Nur, wenn Ihr Euch wieder schlafen legen wollt, mein Freund.«
Es dauerte ungefähr eine Stunde, bis ich all die Kräuter und Pulver zusammen hatte, die ich meiner Ansicht nach brauchen würde. Argak schlug hilfsbereit weitere vor. Manche dieser Kräuter waren recht exotisch, andere dagegen wirklich gefährlich, so daß man sie nur in sorgsam bemessenen Dosen verabreichen durfte.
Dann kam Kamion mit Balten zurück. Offensichtlich waren selbst die anmaßenden Belarpriester klug genug gewesen, sich nicht mit dem rivanischen Wächter anzulegen. »Was steckt hinter all diesen dummen Einmischungen von Seiten der Priester?« wollte ich von meinen früheren Lehrern wissen. »Als ich hier studiert habe, gab es so etwas noch nicht.«
»Dafür ist Elthek verantwortlich, der neue rivanische Erzpriester, Pol«, führte Arell aus. »Er hat fürchterliche Angst vor Hexerei.«
»Das ist nur ein Vorwand, Arell«, berichtigte Balten sie. »Elthek versucht es geheimzuhalten, aber er ist Bärenkultanhänger bis ins Mark. Er erhält regelmäßig Anweisungen vom Hohepriester des Belar in Val Alorn. Das erklärte Ziel des Kults ist seit jeher die absolute Beherrschung der alornischen Gesellschaft gewesen. Dieser ganze Unfug mit Hexerei ist in Wahrheit nichts anderes als ein durchsichtiger Vorwand, jegliche Konkurrenz auszuschalten. Elthek will, daß die Bevölkerung auf der Insel sich in allen Notfällen an die Priesterschaft wendet – auch bei Krankheiten. Die medizinische Kunst vermag Heilungen zu bewirken, die einem gewöhnlichen Alorner wundersam erscheinen. Elthek mißfällt die Vorstellung, daß jemand anderer als die Priesterschaft Wunder bewirkt. Das ist die Wahrheit hinter all diesen langatmigen Predigten über Hexerei. Er versucht diejenigen von uns in Mißkredit zu bringen, die einen medizinischen Beruf ausüben.«
»Das mag so sein«, murrte Argak finster, »aber alle gegen uns gerichteten Gesetze kommen von der Krone.«
»Das ist nicht allein die Schuld Seiner Majestät«, warf Kamion ein. »Die alornischen Bräuche wollen es, daß alle religiösen Angelegenheiten der Entscheidungsgewalt der Priesterschaft unterstehen. Wenn Elthek der Krone ein zu verabschiedendes Gesetz als religiöse Angelegenheit vorlegt, unterschreibt und siegelt Eisenfaust es
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