Polgara die Zauberin
wies sie mich an, während sie mir den Becher an den Mund hielt.
Es war bitter, und einen kurzen Moment lang dachte ich, es mochte Gift sein. Was für eine perfekte Lösung. Aller Schmerz würde jetzt vorübergehen. Ich trank eilfertig, und mein Schluchzen ließ langsam nach, während ich in Arells Armen in das blanke Vergessen sank.
Ich lag in meinem eigenen Bett, als ich erwachte, und ich vermag nicht mehr zu sagen, wieviel Zeit inzwischen verstrichen war. Arell saß auf meiner Bettkante, und ich nahm verschwommen zur Kenntnis, daß man die Fensterläden geschlossen hatte, während ich schlief. »Dein Vater ist hier, Pol«, sagte Arell zu mir, als ich die Augen aufschlug.
»Wie nett von ihm, daß er es hat einrichten können«, versetzte ich verbittert. Arell hatte mich nicht vergiftet und irgendwie empfand ich das als Verrat.
»Jetzt ist es aber genug, Polgara.« Arells Tonfall war schneidend. »Menschen sterben. Das passiert. Dies ist nicht der passende Zeitpunkt für Schuldzuweisungen oder Vorwürfe. Der Tod eines geliebten Menschen kann eine Familie zerreißen oder die Hinterbliebenen enger zusammenschweißen. Wie möchtest du es haben, Pol?« Dann stand sie auf und glättete die Vorderseite ihres grauen Gewandes. »Du brauchst nicht nach etwas Scharfem zu suchen, Liebes. Ich habe alles mit dem Ansatz einer Kante aus deinem Raum entfernen lassen, und bleib weg von den Fenstern. Jetzt zieh dich an, wasch dir das Gesicht und kämm dir das Haar. Du siehst fürchterlich aus.« Dann verließ sie mein Zimmer, und ich stieg aus dem Bett, um die Tür hinter ihr zu verriegeln.
Es war wieder Abend, obwohl ich nicht sagen könnte, an welchem Tag, als Vater an meine Tür klopfte. »Ich bin es, Pol. Mach auf.«
»Geh weg«, führ ich ihn an.
»Öffne die Tür, Pol. Ich muß mit dir reden.« »Laß mich in Ruhe, Vater.« Ich hatte noch nicht ausge sprochen, als mir klar wurde, daß mein Verhalten mehr als nur ein wenig töricht war. Kein Schloß der Welt konnte meinen Vater aufhalten, wenn er wirklich irgendwo hinein wollte. Ich kapitulierte und öffnete die Tür.
Er gab sich ganz sachlich, obwohl sein Gesicht einen leeren Ausdruck hatte. Er erinnerte mich schroff daran, daß unsere vornehmste Verantwortung nunmehr das Geschlecht von Riva sei. Riva selbst war vor Kummer völlig unbrauchbar geworden. Irgend jemand mußte seine Pflichten sowohl als König wie auch als Wächter des Orb wahrnehmen. Daran war erst zwanzig, aber er war Rivas Erbe und daher die einzig mögliche Wahl. »Die Angarakaner haben ihre Augen überall, Pol«, rief Vater mir ins Gedächtnis. »Und falls wir uns auch nur die geringste Schwäche anmerken lassen, kannst du davon ausgehen, daß wir Besuch von Ctuchik bekommen – möglicherweise sogar von Torak persönlich.«
Das brachte mich wieder zu mir. Ich schob meine Trauer und Verlassenheit beiseite. »Was wollen wir tun?«
»Du wirst dich zusammenreißen und hier den Oberbefehl übernehmen. Ich gebe Daran in deine Hände. Ich habe mit Brand gesprochen. Er ist sich völlig über unsere Lage im klaren. Er wird dir soweit helfen, wie er es vermag, aber die Verantwortung liegt letztendlich bei dir. Enttäusche mich nicht, Pol. Ich bringe dich in Brands Quartier. Er führt in eben diesem Moment ein Gespräch mit Daran. Sie sind Alorner, Pol, also halte die Zügel straff.«
»Du wirst doch hier sein, oder?«
»Nein. Ich muß euch verlassen.«
»Bleibst du nicht einmal zur Beerdigung?« Der Gedanke entsetzte mich aus irgendeinem Grund. Vater hat noch nie besonderen Wert auf Förmlichkeiten gelegt, aber
»Ich trage die Beerdigung in meinem Herzen, Pol, und keine auch noch so lange Zeremonie oder Predigt von irgendeinem langweiligen Priester wird sie von dort vertreiben.«
Es war nur eine beiläufige Bemerkung, aber sie erinnerte mich daran, daß ich noch eine Rechnung mit einem gewissen Belarpriester zu begleichen hatte. Wenn Elthek, der rivanische Erzpriester, nicht diese übertriebene Angst vor Hexerei geheuchelt hätte, hätte meine Schwester womöglich rechtzeitig eine medizinische Behandlung erhalten, die ihr das Leben gerettet hätte. Der Wunsch nach Vergeltung ist keine nette Regung, aber er hilft dabei, im Angesicht der Trauer den Rücken zu stärken. Jetzt hatte ich schon zwei Gründe, um mich zusammenzureißen – Elthek und Ctuchik. Ich hatte Feinde auf beiden Seiten der theologischen Front.
Vater nahm mich in Kamions Arbeitszimmer mit, dessen Wände hinter vielen Büchern verborgen waren, und
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