Polifazios Vermächtnis (German Edition)
das Schicksal derart hart? Er hatte alles verloren. Seinen Vater, sein Zuhause und seine große Liebe. Alles, wofür er gekämpft hatte, war vor seinen Augen zerplatzt wie eine Seifenblase. All seine Pläne und Träume waren mit einem Male dahin. Er wäre für Iria gestorben. Und nun sollte sie die Frau eines anderen werden. Und nicht irgendeines Zwerges. Nein, Iria würde eine richtige Prinzessin werden. Derart groß war also der Einfluss Gnospels in den kathasarschen Adelshäusern. Schließlich erreichte Himbi den Eingang zu den uralten Katakomben der Stadt. Hier war alles in Schlichtem grau gehalten. Steinerne Gräber reihten sich, soweit das Auge blicken konnte nahtlos aneinander. Die Halle war immens groß und Himbi konnte von hier aus nicht einmal ihr Ende sehen. Viele Kerzen leuchteten auf den Gräbern, die die Halle in mystisches Licht tauchten. In der Mitte der Halle, jedenfalls glaubte Himbi, dass es die Mitte sein musste, standen die riesigen Mausoleen der Adelshäuser Xandriats. Steinerne Statuen zeugten von denen, die sich in ihnen befanden. Die Größe der Halle ließ Himbi erschaudern. Ohne Hilfe hätte er sich hier glatt verlaufen. Aus diesem Grund fragte er eine der Friedhofsaufseherinnen nach dem Grab seines Vaters. Diese brachte ihn dorthin. Als Himbi den steinernen Sarkophag vor sich sah, da brach plötzlich alles wie ein Platzregen über ihn herein. In die Platte, die den Sarkophag verdeckte, waren in alten Runen, nach zwergischem Brauch, Foboschs Name, und ein Abschiedsgruß eingemeißelt. Sanft fuhr Himbi mit den Fingern seiner rechten Hand über die Inschrift auf dem Stein.
„Möge der blutrote Drache deine Seele zu deinen Ahnen und gefallenen Kameraden bringen. Du hast einen großen Teil dazu beigetragen, dass Xandriat heute dass ist, was es ist. Deine Taten werden auch im Angesicht der Zeit nicht verblassen.“ las Himbi so laut es ihm seine immer schwächer werdende Stimme noch erlaubte.
Dicke Tränen tropften auf die Steinplatte. Unterhalb der Inschrift erkannte Himbi das königliche Wappen Cors eingemeißelt. Offensichtlich hatte Cor selbst die Platte seines einstigen Retters beschriften lassen. Himbi wurde von all seinen Gefühlen übermannt. Die Ereignisse dieses Tages waren einfach zu viel für ihn gewesen. In diesem Moment wurde ihm sein trauriges Schicksal bewusster denn je. Von nun an war er fast völlig allein auf der Welt. Außer Gromit, der meilenweit entfernt von ihm lebte, hatte er niemanden mehr. Alles, was er liebte, hatte er verloren. Himbi konnte seine Tränen nicht länger unterdrücken. Schließlich fing er hemmungslos an, zu weinen. Schluchzend sank er auf dem Sarkophag seines verstorbenen Vaters nieder. So weinte er viele Stunden lang, bis er schließlich völlig erschöpft an Ort und Stelle einschlief.
Hochzeitstag
Mit zerzausten Haaren und einem steifen Hals wachte Himbi am nächsten Morgen neben dem Grab seines Vaters auf. Er spürte jeden einzelnen seiner Knochen durch die nicht sehr erholsame Nacht in den kalten Katakomben. Himbi rieb sich den letzten Schlaf aus den Augen. Langsam kamen die Lebensgeister zurück in seinen Körper. Als seine schmerzenden Knochen langsam wieder aufwachten, kamen jedoch auch die Erinnerungen zurück. Mit einem Seufzen richtete sich Himbi auf und starrte auf den Sarkophag seines Vaters. Noch einmal las er voller stolz die Innschrift, die Bergkönig Cor selbst in den Stein gravieren ließ. Himbi wiederholte die Worte immer und immer wieder. Eigentlich wusste er alles von seinem Vater, aber dennoch kam es ihm so vor, als würde er im Grunde gar nichts über ihn wissen. Niemals hatte er ihm ausführlich über jene Kriegsjahre erzählt, in denen er zum Helden wurde. Alles, was er darüber wusste, das wusste er entweder von Gromit oder von den Geschichten, die sich in der Stadt erzählt wurden. Es war einfach nicht fair. Es gab noch so vieles zu erzählen, so vieles zu erfahren. Und jetzt, jetzt war dafür einfach keine Zeit mehr da. Wütend schlug Himbi mit der flachen Hand auf den Sarkophag.
„ Was ist damals wirklich passiert? Und warum hast du niemals davon erzählt?“ fragte er seinen Vater.
Himbi war traurig, wusste er doch im Grunde so wenig über seinen Vater. Plötzlich musste er sich daran erinnern, wie sein Vater ihm schon als kleinen Jungen die hohe Kunst des Axtkampfes beigebracht hatte.
„ Sollte es irgendwann nötig sein, dich in dieser Kunst beweisen zu müssen, dann sollst du nicht
Weitere Kostenlose Bücher