Polifazios Vermächtnis (German Edition)
unvorbereitet sein!“, hatte Fobosch ihm damals gesagt.
Und Himbi war ihm dafür sehr dankbar. Fobosch war ein Meister in dieser Art zu kämpfen. Das hatten ihn die Kriegsjahre gelehrt. Himbi wusste einfach nicht, was er jetzt machen sollte. Wo sollte er hin? Was sollte er tun? Sollte er einfach weiterhin für Gnospel arbeiten, oder sollte er zurück in die Stollen gehen? Viele Gedanken schossen ihm wirr durch den Kopf. Er schaffte es einfach nicht, eine Entscheidung zu fällen. Schließlich stand er auf und schulterte seinen Rucksack.
„Ich werde dich nicht vergessen! Und ich sehne den Tag herbei, an dem du mir die Tore zu den Hallen unserer Ahnen öffnest!“ sagte er betrübt, küsste seine rechte Handfläche und drückte sie auf den Sarkophag.
Dann drehte er sich um und marschierte los. Er hatte kein genaues Ziel vor Augen. Er wusste nur eines, dass er hier weg musste. Und zum ersten Mal spürte er dieses Verlangen die Stadt, in der er aufgewachsen war, zu verlassen und sein Glück in der weiten Welt zu versuchen. Himbi verließ die Katakomben und marschierte geradewegs durch sein altes Wohnviertel in Richtung Markthalle. Unterwegs bemerkte er, wie viele der Bürger zügig an ihm vorbeiliefen. Je näher er der Markthalle kam, desto mehr Zwerge liefen hastig an ihm vorbei. Plötzlich fiel ihm auch der Grund für diese Massen von Zwergen wieder ein. Heute war der Tag von Irias Hochzeit.
„Warum eigentlich nicht?“, fragte er sich selbst und bog rechts ab in Richtung Tempelviertel.
Es war schwer überhaupt annähernd an den großen Hohentempel heranzukommen, so viele Zwerge und Zwerginnen wollten der Hochzeit ihres zukünftigen Bergkönigs beiwohnen. Doch sobald die Leute Himbi erkannten machten sie ihm Platz. Es war schließlich kein Geheimnis, das er und Iria sich liebten. Wurden sie doch oft zusammen gesehen. Mitleidig sahen ihn die Leute an. Manch einer bekundete sein Beileid. Ehe Himbi sich versah, stand er direkt vor dem riesigen Tempel, der aus reinstem, weißem Marmor erbaut war.
„Was machst du hier eigentlich? Ist es etwa noch nicht schwer genug?“ fragte er sich wütend.
Doch es war nicht sein Verstand, der ihn hierher gebracht hatte. Es war die Sehnsucht in ihm und das Verlangen, Iria noch einmal zu sehen. Plötzlich wurden im Inneren des Tempels große Gongs geschlagen, die einen dumpfen Ton erzeugten. Es war soweit. Auf einmal ging ein ehrwürdiges Raunen durch die Zwergenmenge, als Kronprinz Cer zum Eingang des Tempels schritt. Er sah majestätisch aus und war in goldenen Kleidern gewandet. Sein Haupt zierte die Prinzenkrone und sein langer Umhang glitt elegant über den Marmorboden. Cer wurde begleitet von sechs schwer bewaffneten Leibgardisten. Manch einer sagte, es seien die besten Krieger auf der ganzen Welt. Als Cer den Tempel betrat, ertönten aus dem Inneren mächtige Fanfarenklänge. Die Hochzeit hatte begonnen, doch wo war die Braut? Kurz nachdem der Prinz im Tempel verschwunden war kamen plötzlich vier weitere Zwerge, die eine Sänfte trugen. Neben der Sänfte gingen ebenfalls sechs schwer bewaffnete Leibwächter her. Sie hielten vor dem Tempel an. Schließlich stieg Iria aus. Irias Anblick ließ Himbis Herz höher schlagen. Für einen Moment vergaß er all seine Probleme und Sorgen. Iria trug ihr Haar offen. Sie hatte ein wunderschönes, blutrotes Kleid an. Um ihren Hals lag eine goldene Kette, an der ein hell strahlender Diamant hing. Himbi wusste nicht, was er tun sollte. Sollte er sie gar entführen? Gerade als er sich umdrehen und gehen wollte, da drehte sich Iria ihrerseits zur Zwergenmenge um. Sofort fiel ihr Blick auf Himbi, den sie sofort unter all den anderen Zwergen erkannte.
„Du lebst!“ fiel es ihr wie Tausend Steine vom Herzen.
Erleichtert fasste sie sich mit der linken Hand ans Herz. Doch sofort wurde ihre Stimmung wieder betrübt, als ihr klar wurde, was hier heute geschehen würde.
„Himbi!“, rief sie unter Tränen.
Sofort drehte sich Himbi wieder um und blickte Iria tief in die Augen. Er konnte ihren Schmerz fühlen. Und er konnte sehen, wie sehr sie unter der Situation litt. Die beiden sahen sich einfach nur an und vergaßen die Leute um sich herum. Es kam ihnen wie eine Ewigkeit vor. Schließlich wurde ihr Blickkontakt jäh unterbrochen, als Gnospel aus dem Tempel kam und seine Tochter hereindirigierte. Wütend blickte er Himbi finster an. Dann zog er seine Tochter in den Tempel. Bevor sie darin
Weitere Kostenlose Bücher