Polifazios Vermächtnis (German Edition)
den Umhang und durch das Kettenhemd direkt in seine Schulter gebohrt hatten. Noch immer gingen ihm die schrecklichen Bilder seines verzweifelten Kampfes nicht aus dem Kopf. Er schüttelte sich kurz und schlüpfte dann so schnell er konnte in seine Sachen. Schließlich verstaute er wieder alles so in seinem Rucksack, wie damals, als er zu seiner Expedition aufgebrochen war. Anschließend schulterte er seinen Rucksack. Himbi wurde bei der Schnelligkeit seiner Bewegung kurz schwarz vor Augen. Offensichtlich hatte sich sein Körper noch nicht vollständig von den Strapazen der letzten Wochen erholt. Als er wieder sehen konnte, verließ er kurzerhand sein Krankenzimmer und machte sich auf den Weg nach draußen. Unterwegs kam er an einem der Heiler vorbei, der ihn gleich wieder ins Bett stecken wollte. Doch Himbi hörte gar nicht richtig zu. Er war jetzt nur noch auf eine Sache konzentriert. Er wollte zu seinem Vater. Der Weg zu den Katakomben fiel ihm nicht leicht. Dieser führte ihn an dem Arbeiterviertel vorbei, in dem bis vor Kurzem noch sein Haus gestanden hatte. Himbi konnte es sich nicht erklären. Ohne es zu wollen, hatten ihn seine Füße plötzlich zu der Stelle getragen, an der sein Elternhaus gestanden hatte. Gromit hatte nicht übertrieben. Die Aufräumarbeiten waren schon zum größten Teil abgeschlossen. Traurig blickte Himbi sich um. Lediglich die Grundrisse seines Hauses waren noch zu sehen. Alles andere war bereits abgetragen. Plötzlich hörte Himbi, wie sich jemand hinter ihm räusperte.
„Ähm, entschuldigen sie bitte. Sie müssen Himbi sein. Der Guhlbezwinger. Sie haben hier früher einmal gewohnt, nicht wahr? Ja, das haben sie. Es tut mir wirklich aufrichtig Leid für sie. Sehen sie, hier ist noch etwas, das ich aus den Trümmern ihres Hauses retten konnte.“ sagte ein Minenarbeiter freundlich und nicht recht wissend, wie er Himbi ansprechen, geschweige denn, was er zu ihm sagen sollte.
Himbi drehte sich zu dem Arbeiter um. Er erkannte den Mann. Es war einer von Foboschs Kollegen. Doch beim Namen kannte er ihn nicht. Er hatte ihn nur ein paar Mal zusammen mit Fobosch arbeiten gesehen. Langsam ging Himbi auf den Arbeiter zu. An der Art und Weise, wie der Mann ihn ansah, merkte er, dass er sich stark verändert hatte. Bis vor Kurzem war er noch ein Grünschnabel gewesen, doch nun war er über Nacht zu einem richtigen Zwerg geworden. Der Arbeiter reichte Himbi einen zerbeulten, metallenen Gegenstand. Ohne etwas zu sagen, nahm Himbi ihn entgegen. Sofort erkannte er Foboschs Bierkrug, den, genau wie sein Helm, ein Saphirdrache mit ausgebreitet Flügel zierte. Himbi musste plötzlich lachen. Er musste sich daran erinnern, dass sein Vater stets nur diesen einen Bierhumpen benutzte. Er hatte die Marotte, sein Bier nur aus diesem Krug zu trinken. Er hatte immer gesagt, dass ihm das Bier aus einem anderen Gefäß nicht schmecke. Fobosch brachte es sogar fertig, sich stets seinen eigenen Humpen füllen zu lassen, wenn er mit seinen Kollegen in deren Stammkneipe war. Anfangs wurde er deswegen belächelt. Aber sobald die Leute von irgendwoher seine Geschichte hörten, da lachten sie nicht mehr über ihn. Himbi blickte zu dem Arbeiter auf und nickte ihm dankbar zu. Dann drehte er sich ohne etwas zu sagen um und machte sich wieder auf den Weg zu den Katakomben. Auf seinem Weg bemerkte er, wie ihn viele bekannte Leute bedauernd ansahen. Manche zogen sogar ihre Hüte, als er sie passierte. Plötzlich bemerkte Himbi im Augenwinkel etwas auf dem Boden liegen. Ein weißer Zettel flatterte leicht hin und her. Neugierig bückte er sich und hob den Zettel auf. Was er las, schnürte ihm augenblicklich die Kehle zu. Himbi blickte ungläubig vom Zettel hoch, um ihn dann wieder und wieder zu lesen. Er hatte die Hoffnung, seine Sinne spielten ihm einen bösartigen Streich. Doch wieder war dem nicht so. Himbi ließ den Zettel fallen und schleppte sich völlig fassungslos weiter in Richtung der alten Katakomben. Leise schwebte der Zettel zu Boden. In dicken schwarzen Lettern war auf ihm zu lesen:
„Freudige Verkündung der Hochzeit zwischen Kronprinz Cer, Sohn des Cor, und der liebenswerten Iria, Tochter des Gnospel. Zur Feier des Tages soll die Arbeit in der ganzen Stadt ruhen. Alle, die dem Spektakel beiwohnen möchten, sollen sich um elf vor dem Hohentempel der Stadt einfinden! Eure Magnifizenz Bergkönig Cor, Sohn des Car.
Himbi hatte schlagartig den Glauben an Gerechtigkeit verloren. Warum beutelte ihn
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