Polifazios Vermächtnis (German Edition)
Aber das ist ja noch gefährlicher!“ sagten die beiden Freunde im Chor.
Doch Levicias Gesichtsausdruck konnten sie entnehmen, dass sie es durchaus ernst meinte. Resigniert machten sie den Esel fertig und führten ihn an Deck. Draußen war es bereits dunkel. Es war eine sternenklare Nacht und der Mond hatte die Form einer spitzen, scharfen Sichel. Dennoch reichte das wenige Licht des Mondes aus, um die Küste des Waldes schattenhaft erkennen zu lassen. Die See war außerordentlich ruhig geworden und kaum eine Welle bewegte das Schiff. Die Drei trieben Bruno in eines der Beiboote und stiegen selbst hinzu. Während sie heruntergelassen wurden, verabschiedeten sie sich von Kapitän Sigmund, der ihnen viel Glück auf ihrer Reise wünschte. Neben ihm, an der Reling standen auch die Matrosen, die Himbi und Mugel beim Spielen abgezockt hatten. Breit grinsend wedelte ein jeder von ihnen mit einem prall gefüllten Geldbeutel in der Luft. Mugel knurrte zornig und drehte sich beleidigt um. Es dauerte nicht lange und das kleine Beiboot erreichte den unberührten, weißen Strand des Güldenen Waldes. Schnell sprangen der Zwerg und der Troll aus dem Boot und warfen sich überglücklich in den weichen Sand. Voller Freude darüber, dass sie diese schreckliche Fahrt überlebt hatten, jubelten und lachten sie aus vollem Halse. Levicia führte währenddessen kopfschüttelnd Bruno an den Strand. Nachdem sie all ihre Sachen aus dem Boot genommen hatten, paddelte der Matrose, der sie zur Küste gefahren hatte, wieder zurück zur Schwarzen Rose. Obwohl sie überglücklich waren, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, nahm die anhaltende Übelkeit in ihren Bäuchen nur sehr langsam ab. Als die erste Freude vorüber war, errichteten sie ein Nachtlager. Levicia kochte etwas über dem großen, wärmenden Feuer, während die beiden Freunde auf ihren Decken lagen. Normalerweise konnten Zwerge zu jeder Zeit essen. Doch durch die Strapazen dieser Reise war Himbi nicht dazu in der Lage, auch nur einen Bissen von dem herunter zu bekommen, was Levicia gekocht hatte. Mugel ging es genauso. Levicia ließ sich dadurch nicht verärgern, sondern aß den ganzen Topf, der für drei Personen ausreichte, ganz alleine auf. Aufgrund des wenigen Lichts konnten sie noch nicht viel vom Wald erkennen. Dennoch spürten sie eine wunderbare Aura, die von ihm auszugehen schien. Es war eine Aura von Geborgenheit und Frieden. Nicht das geringste Bedrohliche ging von diesem Ort aus. Dies war auch der Grund, warum sie diese Nacht keine Nachtwache einteilten, sondern allesamt die Nacht seelenruhig durchschliefen.
Der Güldene Wald
Seicht schwappten stetig einige Wellen den weißen Sandstrand hinauf. Das Kreischen der Vögel und die aufsteigende Sonne weckten die drei Abenteurer sanft aus dem Schlaf. Noch immer etwas grün um die Nase rappelten sich Himbi und Mugel auf, um neues Feuerholz zu sammeln. Schließlich wollten sie auf ihren morgendlichen Kaffee auch hier nicht verzichten. Levicia hingegen blieb liegen und genoss den herrlichen Ausblick, der sich ihr bot. Gestern Nacht konnten sie alle nur erahnen, wie schön es hier sein musste, doch beim Licht des Tages wurden ihre kühnsten Vorstellungen weit übertroffen. Sie lagen in einer kleinen Bucht aus feinstem, weißen Sand. Vor ihnen erstreckte sich das fast spiegelglatte Perlenmeer in wunderschöner, türkiser Farbe. Einige Schritte vor ihnen begann der Güldene Wald. Große mächtige Bäume säumten den Rand des Waldes, so weit man gucken konnte. Die üppigen Blätter der Bäume schimmerten golden im Schein der Sonne. Nun konnten sich die Drei erklären, warum der Wald diesen Namen trug. Je höher die Sonne am Himmel wanderte, desto heftiger erstrahlten die Wipfel der Bäume. Es war ein majestätischer Anblick. Himbi und Mugel hatten etwas Feuerholz zusammengetragen, und ehe sie sich versahen, hatten sie auch schon eine Kanne Kaffee aufgesetzt. Nach den Strapazen der gestrigen Schifffahrt schmeckte den beiden das Frühstück heute Morgen besonders gut. Langsam kehrte auch wieder die alte Farbe in ihre Gesichter zurück. Alle konnten es kaum erwarten, endlich in den Güldenen Wald zu marschieren und Delvariel zu suchen. Den Beschreibungen nach konnten sie das breite Flussbett des Cedaron gar nicht verfehlen. Dieser erstreckte sich fast von den äußersten Grenzen des Nordens, bis hinunter in den Süden, wo er in das Perlenmeer mündete. Somit stand fest, dass sie von hier aus einfach nur
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