Polifazios Vermächtnis (German Edition)
konnte sie trotz ihrer Kleidung die goldmünzengroße Narbe fühlen. Mit offenen Augen starrte sie ohne zu zwinkern vor sich hin. Sie dachte darüber nach, wie sie Delvariel bloß gegenübertreten sollte. Es bestand kein Zweifel, diese Aufgabe müssten der Zwerg und der Troll für sie übernehmen. Es sollte ein Leichtes sein, sie ohne den kleinsten Verdacht dazu zu bringen. Schließlich hatte sie es auch geschafft, die wasserscheuen Freunde auf dieses Schiff zu lotsen.
„Zeliath Harizum, wo du auch steckst! Ich werde dich finden und mir zurückholen, was mein ist! Das schwöre ich, bei allem, was mir heilig ist!“ flüsterte sie mit unbetonten Worten.
Währenddessen gesellten sich unter Deck einige Matrosen zu den seekranken Freunden.
„Hier, esst etwas von der Seegurke, das hilft gegen die Übelkeit!“, sagte einer der Männer und hielt ihnen jeweils ein rohes, schleimiges, walzenförmiges Getier vor die Nase.
Beim Anblick des glitschigen, widerlich aussehenden Geschöpfes übergaben sich die beiden Freunde erneut. Die Matrosen mussten wieder lachen und stellten die Seegurken beiseite.
„Wie sieht es aus, vielleicht können wir euch ja mit einem kleinen Glücksspiel ein wenig ablenken?“, fragte ein anderer.
Ablenkung war die richtige Medizin und so stimmten die grünen Freunde zu. Einer der Matrosen holte ein Kartenspiel aus seiner Tasche und erklärte ihnen schnell die Regeln ihres Spieles. Die beiden ließen diese Prozedur kopfnickend über sich ergehen, ohne auch nur ein Wort von dem zu verstehen, was der Mann versuchte, ihnen zu erklären. Im Moment konnten sie keinen klaren Gedanken fassen, geschweige denn, sich die Regeln eines unbekannten Spieles merken. Als der Matrose mit dem Erklären fertig war, verteilte er sämtliche Karten unter allen Anwesenden. Nachdem die Matrosen ihre Blätter studiert hatten, schmissen sie ihre Einsätze in die Mitte der Runde. Die beiden Freunde taten es ihnen gleich, ohne zu wissen, ob ihre Karten gut waren, oder nicht. Nachdem noch einige Runden lang die Einsätze immer wieder erhöht wurden, ohne das die Freunde verstanden warum, legten die Matrosen ihre Karten plötzlich offen auf den Boden. Schnell machten sie es ihnen nach.
„Ihr seit mir ja welche! Mit solchen Karten habt ihr soviel eingesetzt?!“ lachte einer der Männer und die anderen grölten sogleich mit.
Die Freunde wussten nicht, wer nun gewonnen hatte und warum, ihnen war nur eines klar. Sie hatten verloren, soviel stand fest. Dennoch wollten sie sich keine Blöße geben und spielten noch einige Stunden weiter mit den Männern.
„Hey, Moment mal! Warum habe ich denn jetzt schon wieder verloren? Gerade eben hast du mit demselben Blatt gewonnen!“ fragte Mugel nach einigen Runden nach.
Der Matrose, der sich das ganze Geld aus der Mitte der Runde genommen hatte, sah ihn vergnügt an.
„Das ist richtig, aber das war eben. Hast du die Regeln immer noch nicht verstanden?“ fragte er höhnisch nach.
Mugel verzog beleidigt das Gesicht.
„Doch, dass habe ich. Die Regeln sind leicht. Ihr gewinnt, und wir verlieren!“ sagte er sauer.
Die Matrosen lachten.
„Richtig. Und das Spiel funktioniert. Aber sagt, eines haben wir dennoch geschafft. Ihr musstet euch die ganze Zeit nicht einmal mehr übergeben!“ antwortete einer der Männer.
„ Das muss ich aber gleich, wenn ihr mich weiterhin ausnehmt wie eine Festtagsgans. Jetzt hab ich aber wirklich genug von euerm Spiel! Schert euch weg!“ fluchte Mugel, der nun genau wie Himbi, kein Geld mehr in den Taschen hatte.
Die Matrosen zogen lachen ab und ließen die beiden wieder alleine.
„Ausgenommen wie die Festtagsgänse haben die uns!“, fluchte Mugel noch immer.
„ Das ist mir egal. Sie haben recht, sie haben es geschafft, uns abzulenken. Den Großteil dieser Reise haben wir jetzt hinter uns. Bald schon werden wir wieder festen Boden unter den Füßen haben!“ antwortete Himbi und drehte sich auf die Seite.
Er versuchte, etwas zu schlafen. Mugel saß noch immer fassungslos da. Immer wieder fragte er sich, wie er nur derart auf diese Matrosen hereinfallen konnte. Doch er konnte es sich auch nach längerer Überlegung nicht erklären. Nach weiteren zwei Stunden unter Deck kam Levicia zu den beiden.
„Kommt, wir haben die Küste des Güldenen Waldes erreicht. Schnappt euch den Esel und dann los. Wir werden per Beiboot hinübergefahren!“ sagte sie.
„ Per Beiboot?
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