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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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für ein Zimmer, eine Kochnische und eine Dusche zu bezahlen hatte. Hundertsechzig Burenwürste mit Brot und Senf, wie Polivka ihr vorrechnete. Kein Wunder, dass – nach den Amerikanern – auch die Europäer immer fülliger und depressiver wurden.
    Für die folgenden neun Stunden fand er diese hundertsechzig Burenwürste allerdings gut angelegt. Nachdem Sophie und er um sechs Uhr früh in Amiens angekommen waren, hat er sofort die Dusche okkupiert. Sophie hat ihm inzwischen eine Liegestatt auf ihrer alten Couch gerichtet und den Geigenkasten daraufgelegt.
    «Wozu brauchen wir den noch?», hat Polivka gefragt, als er – ein Handtuch um die Hüften – aus dem Bad gekommen ist.
    «Sehen Sie doch nach.»
    Im Koffer lagen – säuberlich gebügelt und gefaltet – weiße Socken, eine weiße Hose und ein kurzärmeliges weißes Hemd.
    «Aber woher …?»
    «Aus einem Schrank im Schwesternzimmer. Dieser Pfleger, der so freundlich war, uns aufzusperren, hatte eine ähnliche Statur wie Sie.»
    «Sie haben die Kleider einfach …»
    «Mitgenommen, ja. Ich war seit zwei Jahren nicht beim Arzt und zahle trotzdem pünktlich meine Krankenkassenbeiträge. Da sind ein paar Textilien für einen Gast aus Österreich doch nicht zu viel verlangt.»
    Polivka konnte nicht anders, er grinste. «Hatten die vielleicht auch Unterhosen im Angebot?»
    «Bedauere, aber ich kann Ihnen gern eine von mir anbieten.»
    Bis Mittag haben die beiden geschlafen, dann kam die Sonne hinter den Wolken hervor und kitzelte Polivka wach. Mit einem Blick zum Bett hin, wo Sophies zerzauster Haarschopf unter der Decke hervorlugte, trat er ans Fenster. Jenseits des Flusses, der nur wenige Meter hinter dem Haus im Sonnenlicht glitzerte, erstreckte sich, so weit das Auge sehen konnte, eine patchworkartig parzellierte Auenlandschaft, ein von Kanälen durchzogenes blühendes Gartenmekka.
    «Die Hortillonages», sagte da eine Stimme in Polivkas Rücken. Sophie war aufgestanden und leise zu ihm getreten. «Dreihundert Hektar Sumpfgebiet, schon von den Römern kultiviert, um Obst und Gemüse anzubauen. Inzwischen stehen hauptsächlich Wochenendhäuschen darin. Aber Vorsicht, Herr Polivka, nur falls Sie sich mit dem Gedanken tragen, eines zu kaufen: Unter hundertzwanzigtausend Burenwürsten kommen Sie da nicht davon.»
    Ehe Polivka etwas erwidern oder sich umwenden konnte, legte Sophie ihre Arme um ihn. So standen sie lange und sahen der Somme beim Fließen zu.

    «Wann könntest du denn losfahren?», fragt Polivka jetzt seine Mutter.
    «Also ich … Wo ist denn diese Klinik überhaupt?»
    «Im fünfzehnten Bezirk.»
    «Das Kaiserin-Elisabeth-Spital?»
    «Nicht ganz … Bezirk ist vielleicht etwas unscharf formuliert; man nennt es hier Arrondissement .»
    Sophie dreht sich zu Polivka und nickt ihm anerkennend zu, bevor sie sich wieder der Straße zuwendet.
    «Warst du schon einmal in Paris?», fragt Polivka ins Telefon.
    «Natürlich war ich das! An unserem fünften Hochzeitstag hat mich dein seliger Vater dorthin eingeladen. Der Montmartre, wo die Künstler sind, und dann der Eiffelturm und dieser Fluss, wo sich die jungen Leute küssen …»
    «Die Seine.»
    «Genau, die Seine. Mein Gott, Paris …»
    «Jetzt lade ich dich ein.»
    «Du meinst, ich soll … Ist das dein Ernst?» Bei Polivkas Mutter setzt nun langsam die Erkenntnis ein.
    «Natürlich ist das mein Ernst. Ich übernehme alle Kosten.»
    «Aber … Müsste das nicht dieser Oberst von dir zahlen? Dieser Schröck?»
    «Der weiß nicht einmal was davon. Ich hab dir ja gesagt, die Sache ist topsecret.»
    «Aber … Ich weiß gar nicht, ob mein Pass noch gültig ist.»
    «Den brauchst du nicht. Wir Europäer sind ja so gut wie vereint.» Polivka beißt sich auf die Zunge. Er spürt Sophies halb fragenden, halb belustigten Seitenblick.
    «Ja, wenn ich dir damit helfen kann, dann … mach ich mich halt auf den Weg. So eine Schnapsidee, Geheimagentin in Paris. Da wird die Gerda Augen machen …»

    Nein, es ist nichts passiert in der Mansarde über dem Fluss; zumindest haben sich die beiden Europäer nicht vereint. Sie standen nur wortlos am Fenster, bis Sophie sich von Polivka löste, um einen Topf aus dem Eisschrank zu holen und ins Backrohr zu schieben: Coq au vin.
    Schon mit dem ersten Bissen waren alle Diätberaterinnen dieser Welt für Polivka vergessen. Er schwelgte und schwieg. Dass ihm im Überschwang seiner Geschmackspapillen ein Bissen von der Gabel rutschte und einen bräunlichen Fleck auf seiner neuen

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