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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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sagt der Fürst zu Polivka. «Der gute Gallagher war so begierig auf ein Wiedersehen mit Ihnen, dass er heute Mittag extra aus Brüssel hier eingeflogen ist. Und wer bezahlt’s? Natürlich ich, der Oppitz, wer denn sonst?»
    «Mein Beileid», murmelt Polivka. Mag sein, dass er die Worte gar nicht ausspricht, dass er sie nur denkt: Es fällt ihm schwer, das Außen und das Innen noch zu unterscheiden. Vielleicht ist es auch nur Einbildung, dass Gallagher dem Kofferraum jetzt einen langen, schlanken Gegenstand entnimmt, der sich bei näherem Hinsehen als Gewehr entpuppt, als Doppelflinte, wie sie bei der Jagd auf Niederwild verwendet wird.
    So viel zu der Vereinbarung, dass Oppitz unbewaffnet kommt, denkt Polivka.
    «Von meinem Fahrer war nicht ausdrücklich die Rede», antwortet der Fürst, «und ich hab keine Waffe.»
    Kaum hat er auf diese Art das nächste Haar gespalten, dringt erneut das Jagdsignal aus seiner Hosentasche, passend zu der Schrotflinte, mit der John Gallagher sich nun vor Polivka postiert.
    «Momenterl, bitte.» Oppitz zückt das Smartphone, um den Anruf anzunehmen. «Grüß Sie Gott, Herr Oberst! … Danke, ja, es könnt nicht besser gehen. Und selbst? Familie wohlauf? … Ah, nur ein Katzerl? … Na, sehr gut. Sollen ja angeblich viel pflegeleichter sein als manche andere Hausgenossen … Sagen S’, haben Sie dieses Dings gefunden, diese Speicherkarte? … Wunderbar, da steh ich tief in Ihrer Schuld … Wenn möglich heut noch, in der Hofburg drüben. Trinken Sie Champagner? … Weil Sie heut mein Gast sind, lieber Oberst … Also danke, und bis später … Ja, bis dann.»
    Die Arme ausgebreitet, das Gesicht dem Himmel zugewandt, so steht er da, der Fürst. Wie Moses nach dem Auszug aus Ägypten oder Petr Čech, der legendäre Tormann mit dem Rugby-Helm, wenn seine Mannschaft (in präzisen eineinviertel Stunden, drei Minuten nach dem Anpfiff) gegen Griechenland in Führung gehen wird. Es ist vollbracht , sagt Omars Körperhaltung. Aber es ist noch nicht ganz vollbracht.
    John Gallagher, die Flinte in den Händen, wartet auf ein Zeichen seines Herrn und Meisters.
    Auf der Bundesstraße nähert sich von Poysdorf her der silbergraue BMW.
    «Ein Jagdunfall», sagt Oppitz jetzt und lässt die Arme sinken. «So etwas passiert von Zeit zu Zeit. Zum Beispiel hab ich heute drüben in Stadlwald zufällig eine kleine Treibjagd, das ist immer heikel, überhaupt am späten Nachmittag und ganz besonders, wenn ich nicht dabei sein kann, um aufzupassen. Einer meiner Gäste wird sich leider eine Ladung Schrot einfangen … Sind Sie Jäger, Herr Bezirksinspektor?»
    Polivka starrt Oppitz an und schüttelt stumm den Kopf.
    «Na, was nicht ist, kann ja noch werden», meint der Fürst. «Bevor ich es vergesse», wendet er sich nun an Tilman Stranzer, «unser Herr Inspektor hat Bedenken, was deine Loyalität betrifft. Er zweifelt daran, dass du schweigen würdest, wenn es einmal hart auf hart geht.»
    «Was?», braust Stranzer auf. «Der Kerl ist ja völlig …»
    Eine kleine Handbewegung Omars lässt Stranzer verstummen. Gleichzeitig hebt Gallagher die Flinte und legt sie auf Polivka an.
    Eins oder null, null oder eins.
    Die Vorstellung zu sterben ist beinahe tröstlich angesichts der Schmerzen, die jetzt immer heftiger in seinem Bauch pulsieren. Für eines aber gibt es keinen Trost, und das ist eine üble Nachrede. Posthum als Freund des Fürsten dazustehen, der sich in dessen Stadlwalder Latifundien als Jagdgast verlustiert hat: Einen solchen Nekrolog hat Polivka sich nicht verdient; nach der Erschießung sollte nicht auch noch ein Rufmord folgen.
    Eins oder null, null oder eins.
    Die Knie versagen ihm den Dienst; er taumelt ein paar Schritte vor, sackt dann zusammen, fängt sich mit den Händen ab. Nun kniet er vor den drei Kanaillen, von einem vierten, unsichtbaren Gegner in den Straßenstaub gezwungen, von dem Teufel nämlich, der in seinen Eingeweiden tobt.
    Schräg hinter Gallagher, der Polivka beharrlich mit der Flinte anvisiert, hängt Tilman Stranzers Bulldoggenvisage. Allerdings hat Stranzer seinen barschen Ausdruck mittlerweile abgelegt und ein zufriedenes, geradezu beglücktes Grinsen aufgesetzt. Wahrscheinlich denkt er an die beiden Diamanten, die er sich nach Polivkas Exekution aus dessen Jacke holen wird.
    Mit leisem Brummen biegt der silbergraue Wagen in die Zufahrt ein.
    «So machen Sie doch endlich Schluss», stöhnt Polivka und blinzelt matt in die Gewehrmündung.
    «Du hast es ja gehört, John.»

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