Polizei-Geschichten
auf die fieber-
glühenden Lippen des Kindes.
„Und doch wird Dein Ende Elend sein!“ grollte er in
seinem Innern. „Warum hab’ ich Dich nicht bei der Geburt
getödtet, bevor mein Herz Dich lieben lernte?!“
Dann versuchte er nochmals die geängstigte Frau zu
trösten, — hatte er selbst wohl Trost? Der Anblick ihres
wehmüthig resignirten Leidens preßte ihm fast das Herz
ab, und schon seit langer Zeit suchte er sich, so oft es ging,
von den Seinen zu entfernen, die ihm nur das Bild seines
Jammers waren. Aber er küßte seine Frau innig und sagte
beim Weggehn mit fester Ruhe:
„Es wird wohl noch gut werden!“ —
Bei dem reichen Manne mußte Schenk diesmal geraume
Zeit in der Hausflur stehen. Die gallonirten Bedienten ka-
men mit silbernen Schüsseln aus den Zimmern, und stri-
chen an ihm vorüber, indem sie ihn aus dem Wege gehn
hießen oder gar verächtlich zur Seite stießen. Anfangs hat-
ten sie ihn, seines schmutzigen und zerschlissenen Aeu-
ßern wegen, fortjagen wollen, zumal der Herr noch bei
Tische saß, aber Schenk behauptete, dringlich mit dem
Herrn sprechen zu müssen, und wollte lieber unter der be-
leidigenden Behandlung des Bedientenvolks ausharren, als
sich seiner letzten Hoffnung begeben.
Nach Verlauf von anderthalb Stunden endlich ward er
in einen Vorsaal gewiesen, wo er abermals eine Viertel-
stunde wartete. Er betrachtete mit ausdruckslosem Blick
ein Gemälde, während seine Gedanken, ermüdet und ab-
gespannt, fern von dem Ort und dem Zweck seines Besu-
ches waren. Als er aber im Nebenzimmer den Tritt des
Herrn vernahm, schlug sein Herz plötzlich höher, und die
Erinnerung an Frau und Kind richtete seine Sinne wieder
ganz auf den einen Punkt, die Entscheidung seiner näch-
sten Zukunft.
Der gnädige Herr zeigte ein ziemlich geröthetes und
aufgeregtes Gesicht, und schien im Ganzen guter Laune zu
sein. Schenk trug ihm seine Verhältnisse mit zager, verle-
gener Stimme vor, und bat ihn schließlich um eine Unter-
stützung von fünfzehn Thalern.
„Ihr seid ein Taugenichts, Schenk,“ sagte der gnädige
Herr, sich die Zähne stochernd. „Ihr habt keine Lust zur
Arbeit, sonst würde es Euch nicht so gehen, wie Ihr sagt.
Euch Geld geben, hieße Euch im Müßiggang bestärken, und
man würde Euch zuletzt gar nicht mehr loswerden.“ —
„Ach, gnädiger Herr, wenn mir die Leute nur Arbeit ge-
ben wollten, daß wir nothdürftig davon leben könnten, wie
gern wollt’ ich schaffen von früh bis in die Nacht!“ erwie-
derte der Handwerker mit feuchtem Auge. „Versuchen Sie
es mit mir, gnädiger Herr! Geben Sie mir Arbeit, wie Sie
wollen, schicken Sie mich auf Botengänge, lassen Sie mich
Holz hacken und Wasser tragen, ich will Ihnen das Geld
wieder abarbeiten, und gewiß, Sie sollen mit meinem Fleiß
zufrieden sein!“ —
„Ja, ich kenne das! Als ich Euch damals das Geld gab,
damit Ihr Euch herausreißen könntet, da habt Ihr, statt
zu arbeiten, das Geld durchgebracht und seid nachher we-
gen Diebstahl eingesperrt worden. Das wäre das Richtige,
Euch in’s Haus zu nehmen und Sachen von Werth anzu-
vertrauen!“ —
„Gnädiger Herr!“ sagte der Handwerker verletzt.
„Ah, Ihr wollt den Gekränkten spielen! Das verlohnte
sich der Mühe! Ihr werdet das wohl schon öfters gehört
haben, und ich verdenke es den Leuten gar nicht, wenn sie
einem Taugenichts, wie Ihr seid, keine Arbeit geben.“ —
„Gnädiger Herr,“ erwiederte Schenk, sich aufrichtend,
„hätte ich immer den vollen Gebrauch meines gesunden
Armes gehabt, so wäre ich vielleicht nicht in die Noth ver-
fallen, die mich zu dem Verbrechen verleitete!“ —
„So! Ihr glaubt wohl ein Recht auf meine Unterstützung
zu haben?“ rief der vornehme Mann. „Da seid Ihr aber im
Irrthum. Ich habe Euch pflegen und kuriren lassen, und
noch Geld obendrein zu einem ehrlichen Geschäft gegeben.
Damit Basta! Eure Halunkereien zu unterstützen, habe ich
wahrlich nicht nöthig. Jetzt scheert Euch Eurer Wege!“ —
„Sie haben gar keine Verpflichtung gegen mich — ich
weiß das,“ sagte Schenk plötzlich, über die Wendung er-
schreckt, „ich wollte ja nur sagen, daß ich vor meinem Un-
glück zufrieden und ehrlich gelebt habe, und daß ich ge-
wiß wieder so leben würde, wenn ich ausreichende Arbeit
hätte. Ich wollte Sie ja nur bitten, gnädiger Herr — “
„Nichts da! Ich habe es schon einmal gethan und es hat
nichts bei Euch geholfen, so
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