Polizei-Geschichten
sittsamer,
natürlicher Liebenswürdigkeit, die durch ihr einfaches We-
sen Alle, die ihr nahe kamen, fesseln mußte. Ihren Gatten
liebte sie mit unaussprechlicher Hingebung, und die Kin-
der, auf welche Beide ihre ganze Sorgfalt wendeten, befe-
stigten das innige Band des Paares immer mehr. Um diese
Zeit erregte eine Arbeit Pauls — in welcher Art, ist hier
gleichgültig — die Aufmerksamkeit der Polizei. Ganz wie
oben die beiden Weiber erzählten, trat eines Morgens ein
Polizeibeamter mit vier Gensd’armen in Pauls Wohnung,
durchstöberte, obgleich Paul sich zu dem quästionirten
Artikel bekannt hatte, alle Papiere desselben, steckte Briefe
und Manuscripte ein und führte Paul mit sich fort. Therese
gerieth dabei in die entsetzlichste Angst. Mit Thränen der
Verzweiflung fiel sie dem Beamten zu Füßen und beschwor
ihn, jede Garantie zu verlangen und ihr nur den Gatten zu
lassen. Der Kommissair hob sie artig auf und sagte, daß er
nur das Werkzeug einer höhern Macht sei.
„Uebrigens,“ meinte er beruhigend, „würde die Sache
wohl nicht viel zu bedeuten haben.“ —
In der That wurden auch die Besorgnisse Theresens —
wenigstens für den Augenblick — bald zerstreut, denn
nach Verlauf von einigen Stunden kehrte Paul von der Po-
lizei zu seiner Gattin zurück.
Paul war ein Ausländer, ein Deutscher nämlich. Als er sich
in K. verheirathet hatte, war er um Ertheilung des Bür-
gerrechts eingekommen, die Polizei aber hatte ihm den
Bescheid gegeben, daß man gegen seinen Aufenthalt in K.
zwar nichts habe, ihm aber das Bürgerrecht vorläufig nicht
ertheilen könne. Da die Gemeinden zur Aufnahme von
Ausländern nicht verpflichtet sind, so hatte sich Paul da-
mals bei diesem Bescheide begnügen müssen. Als er jetzt
nach der Polizei gebracht wurde, nahm man einfach ein
Protokoll über seine Verhältnisse auf; sein Antrag: wenn
irgend etwas gegen ihn vorliege, ihn zur gerichtlichen Ver-
antwortung zu ziehen, ward nicht beachtet. Das Warum?
mag der scharfsinnige Leser selbst errathen. Statt dessen
aber erhielt Paul nach einigen Tagen die polizeiliche Wei-
sung, Stadt und Land zu verlassen.
Eine polizeiliche Ausweisung hat viel für sich. Es be-
darf dazu weder eines richterlichen Erkenntnisses, noch
einer gesetzlichen Vorlage, und doch erreicht man seinen
Zweck zuweilen vollständiger, als durch eine vorüberge-
hende Haft. Der Flüchtige, der nicht weiß, wohin er sein
Haupt legen soll, gewinnt selten Zeit zu sogenannten Miß-
liebigkeiten. Faßt er dann auch in der Fremde Fuß, so hat
er doch bald den richtigen Blick für die Verhältnisse sei-
ner Heimath verloren, und ist mindestens für die lokalen
Ereignisse der Gegend unschädlich gemacht, aus der man
ihn vertrieben hat. In neuester Zeit hat man denn auch die
mannigfachen Vorzüge solcher Maßnahmen wohl einge-
sehen, und in gewissen Ländern breitet man diese Erfah-
rung auch dahin aus, daß man mißliebige Beamte von ei-
ner Stadt zur andern versetzt, ohne sie zu Athem kommen
zu lassen.
Als Paul die polizeiliche Ausweisung aus Stadt und
Land erhielt, antwortete er in einem Anflug von Humor,
er würde binnen 5 Minuten dem Befehl nachgekommen
sein. Er traf zu Hause noch einige Vorkehrungen, tröstete
seine weinende Frau mit der Hoffnung, daß sie bald wie-
der vereinigt sein würden, und begab sich über die Grenze
nach der Residenzstadt des benachbarten Landes. Aber
der Empfang war hier nicht der erwartete. Wer einmal
von der Polizei gezeichnet worden ist, kann einer steten
Aufmerksamkeit von kleinlichen, berichtlustigen Polizei-
seelen gewiß sein, denn wenn man irgend in deutschen
Verhältnissen Einigkeit suchen dürfte, so wäre es in denen
der Polizei. Paul wurde abermals verwiesen, oder erhielt
vielmehr von vornherein keine Erlaubniß zum Aufenthalt.
Ein Grund wurde ihm für diese Maßnahme nicht angege-
ben, aber man gab ihm zu verstehen, daß es wegen sei-
ner Verweisung in K. geschehe; man wollte der Möglich-
keit vorbeugen, in eine ähnliche Nothwendigkeit versetzt
zu werden. Das nennt man eine Präventivmaßregel. Paul
wollte zwar die Richtigkeit einer solchen nicht einsehen,
und meinte, daß man demgemäß auch Jeden auf die bloße
Möglichkeit hin, er könne einmal wahnsinnig werden, in
ein Irrenhaus sperren dürfe, eine Sache, die doch noch
nicht erhört sei: die Polizei aber gestattete ihm, auswärts
darüber nachzudenken, und transportirte ihn über
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