Polizei-Geschichten
umzogenen Züge waren der Typus
der niedrigsten Gemeinheit. Dieser Mensch hieß Wilhelm
Fischer, hatte wegen Raubanfalls auf offener Heerstraße
und verschiedener Diebereien mehrere Jahre im Zuchthaus
und Gefängniß gesessen, und kannte Schenk aus der Zeit
seiner Haft. Fischer hatte seitdem seinem frühern Treiben
Valet gesagt, und einen Erwerbszweig ergriffen, bei dem
er sich augenscheinlich ganz wohl befand. Er war, nach-
dem er zuletzt aus dem Gefängniß entlassen worden, zu
dem Polizeichef gegangen, hatte ihm vorgestellt, daß er
von seinem bisherigen Leben abstehen wolle, und gebeten,
in irgend einer Weise verwendet zu werden. Der Polizei-
rath, der in Fischers ausgebreiteter Diebsbekanntschaft ein
treffliches Mittel zur Entdeckung manches Verbrechens
erblickte, hatte ihn in seine Dienste genommen und ihm
den Auftrag gegeben, seine früheren Bekanntschaften
fortzusetzen, und wenn er einen Anschlag erführe, ihn
davon in Kenntniß zu setzen. Das war gegenwärtig die ei-
gentliche Stellung Fischers. Dieser Elende begnügte sich
jedoch keineswegs damit, die Absichten und Thaten seiner
ehemaligen Genossen zu belauschen, sondern, um seinem
Chef öftere Beweise seiner Thätigkeit geben zu können
und sich in den Augen desselben hervorzuthun, spornte er
auch selbst die Unschlüssigen an und machte ihnen nicht
selten sogar die Anschläge, um die er sie nachher verrieth.
„Nun? Was starrst Du mich an?“ sagte er zu dem Hand-
werker. „Kennst Du Will Fischer nicht mehr? Thust ja, als
hätten wir nicht zusammen da — “
„Nun, Will Fischer,“ erwiderte Schenk düster, „und was
willst Du von mir!“ —
„Was ich von Dir will, Du Tropf? Dich fragen, wie es Dir
geht, nichts weiter. Und ich habe ein Recht dazu, denn ich
bin ein alter Bekannter, und Du siehst nicht aus, als ob Du
einen Freundschaftsdienst zurückstoßen würdest.“
„Ja, es geht mir schlecht genug!“ murmelte dumpf der
Unglückliche. „Keine Arbeit und kein Verdienst mehr, Gott
weiß, wie das enden wird. Ich habe seit vorgestern nichts
mehr gegessen!“ —
„Komm mit,“ sagte der Andere mit rauhem Mitleid.
„Ich weiß da in der Nähe einen Ort für unser Einen, wo Du
Dich füttern kannst.“ —
Schenk folgte ihm mechanisch, ohne ein Wort zu sagen.
Plötzlich aber blieb er stehen, sein Auge belebte sich, wie
von einem glücklichen Gedanken beseelt, und er hielt sei-
nen Gefährten am Arm fest, indem er ihn ängstlich for-
schend betrachtete.
„Will Fischer,“ sagte er mit bangem Ton, „es geht Dir
gut, ich sehe Dir es an. Du meinst es auch gut mit mir,
denn Du willst mir eben zu essen geben. Hilf mir daher
ganz — wenn Du kannst, leihe mir zehn Thaler. Ich muß
morgen meine rückständige Miethe bezahlen, oder ich
werde mit meiner Frau und einem kranken Kinde nackt
und bloß auf die Straße gestoßen. Ich bin verloren, Will,
wenn Du mir nicht hilfst!“ —
Will Fischer verzog sein Gesicht zu einem sonderbaren
Lächeln und drückte seine Hände fest in die Taschen.
„So,“ sagte er, „Du brauchst morgen zehn Thaler — mußt
sie haben, wie man so sagt — unter jeder Bedingung.“ —
„Ja, ich muß sie haben, unter jeder Bedingung. Ich weiß
nicht, was ich sonst thun würde, aber den Jammer daheim
würd’ ich nicht erleben! Zehn Thaler, Will — es ist ja
nicht so viel, und uns kann es jetzt retten. Gott wird es dir
lohnen, Will!“ —
„Ja, Gott wird es mir lohnen und der Teufel den Segen
drüber sprechen. Ich könnte nachher sehen, wie ich’s wieder
einbrächte, und für Dich wär’s auch nur auf ein paar Tage.
Uebrigens laß uns jetzt nur nach der Kneipe gehen, da können
wir weiter davon sprechen. Ich habe zwar selbst das Geld nicht,
vielleicht läßt sich aber noch anderer Rath schaffen.“ —
Sie schritten wieder fort. Will Fischer führte den Hand-
werker durch mehrere kleine Nebenstraßen, bis sie zuletzt
vor dem Schlußgebäude einer engen Sackgasse ankamen.
„Das da ist ein neues Bureau!“ sagte er, auf das Kneipen-
schild über einer Kellerwohnung zeigend. „Es kommen oft
tüchtige Kerle hieher, weil der Wirth ehrlich ist und immer
einen geheimen Weg hinten über das Wasser bauen kann.
Wenn Du mich einmal suchst, so komme nur Abends in
diesen Fuchsbau.“ —
Sie traten die Stufen hinunter in den Keller, wo Fischer
bekannt zu sein schien. Während er mit dem Wirth, dem
Hehler der hier verkehrenden Diebsbande, im Winkel ein
leises
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