Polizei-Geschichten
zuweilen höherer Rück-
sichten halber in Universitätsstädten geschieht: so haben
diese Leute allerdings eine Entschädigungsklage auf den
ihnen dadurch zugefügten Nachtheil am Eigenthum, nicht
aber auf Wiedereinsetzung in ihre Rechte. Diese letztere
wäre wiederum nur der Gegenstand einer Beschwerde an die
vorgesetzte administrative Behörde, die dann nach Bericht-
erstattung der Unterbehörde entscheidet, ob zu jener außer-
ordentlichen Maßregel Veranlassung war, oder nicht.“ —
„Das ist aber doch mindestens eine Inkonsequenz der
Gesetze,“ bemerkte eine Dame aus der Gesellschaft. „Das
richterliche Erkenntniß erkennt den von einer solchen au-
ßerordentlichen Maßregel Betroffenen den Rechtsanspruch
auf Entschädigung zu, spricht also damit ihre Schuldlosig-
keit aus, denn Verbrechern würde man keinen Anspruch
wegen des durch ihre Strafe erlittenen Schadens zuerken-
nen: gleichzeitig aber gestatten die Gesetze der Polizeibe-
hörde, die Leute trotzdem als Verbrecher zu behandeln und
trotz der richterlichen Ehrenerklärung doch die Maßregel
gegen sie durchzuführen.“ —
„Dies betrifft wieder die Frage, ob die Gesetze ausrei-
chend sind, mein Fräulein,“ erwiederte der Kriminalrath
unbeirrt, „während es hier nur auf die Feststellung dessen
ankommt, was die Polizei und ihre Beamten ohne Verlet-
zung der Gesetze ausüben können. — Ich sagte, daß jeder
Staatsbürger der administrativen Gewalt Folge zu leisten
habe, daß ihm wegen vermeintlich ihm zugefügten Un-
rechts der Weg der Beschwerde, und nur wegen erlittenen
Verlustes die Entschädigungsklage gegen die Polizei zu-
stehe. Widersetzt er sich aber, so hat die Behörde sowie
der exekutive Beamte das Recht, gewaltsam gegen ihn zu
verfahren, und er selbst hat sich durch seine Widersetzlich-
keit jedenfalls einer strafbaren Handlung schuldig gemacht.
Darüber, ob die Maßregel der Behörde oder des Beamten,
welche die Widersetzlichkeit hervorrief, gerechtfertigt oder
ungerecht war, hat nur die vorgesetzte Behörde zu ent-
scheiden, und die Beamten sind Niemanden sonst darüber
verantwortlich, als eben nur ihrer vorgesetzten Behörde.
Die Widersetzlichkeit bleibt in jedem Fall strafbar.“ —
„So werden Sie uns demgemäß jetzt wohl auseinander-
setzen,“ bemerkte die Frau vom Hause wieder, „wie das
Verhältniß in dem von mir gedachten Falle sein würde,
wenn nämlich ein Polizeibeamter von Jemanden verlangte,
daß er ins Wasser springen solle?“ —
„Ich wollte soeben darauf kommen, gnädige Frau,“ ant-
wortete der Kriminalrath nach einigem Nachdenken. „Der
einzelne Beamte hat unzweifelhaft das Recht, gegen Je-
dermann, weß Standes er auch immer ist, einzuschreiten.
Er kann den Niedrigsten, wie den Höchsten Nachts aus
seinem Bette holen und ins Gefängniß transportiren.“ —
„Bei uns nicht!“ rief hier der Rheinländer.
„Es ist wahr, bei Ihnen kann er es nur am Tage,“ fügte
der Kriminalrath lächelnd hinzu, „überall aber ist er von
seinem Schritt nur seinen Vorgesetzten Rechenschaft
schuldig und bis dahin kann er, wie gesagt, von Jedermann
Folgsamkeit verlangen.“ —
Hier machte der Redner eine kleine Pause, während wel-
cher ihn die ganze Gesellschaft erwartungsvoll anblickte.
„Ich glaube daher,“ fuhr er wieder fort, „ja, — da das
Gesetz keine Ausnahme statuirt, so muß man als gewiß
annehmen, daß der Unterthan jedem Organ der admini-
strativen Gewalt Folge leisten muß, selbst wenn es von
ihm verlangt, ins Wasser zu springen. Das ist nach Wort-
laut des Gesetzes ganz gewiß. Ertrinkt er bei diesem Expe-
riment, so haben seine Erben nur alsdann ein Klagerecht,
wenn sie erweislich durch den Tod ihres Erblassers einen
Schaden erlitten haben; im Uebrigen ist der Polizeibeamte
über seinen Befehl an den Ertrunkenen gesetzlich nur sei-
nen Vorgesetzten Erklärung schuldig. Es ist in diesem Fall
nicht zu bezweifeln, daß der Beamte, der so eigenmächtig
und unverantwortlich handelte, von seinen Vorgesetzten
fallen gelassen würde, wahrscheinlich sogar, daß man ihn
den Gerichten übergäbe; auch bezweifle ich nicht, daß
man Ihnen im vorkommenden Falle die Weigerung, sol-
chem Befehl Folge zu leisten, gewiß ungeahndet hingehen
ließe: allein streng gesetzlich betrachtet, müssen Sie ihm
gehorchen.“ —
Die Gesellschaft sprach nunmehr über diesen Gegen-
stand mit großer Lebhaftigkeit hin und wieder. Die Mei-
sten kamen
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