Polizei-Geschichten
zusammengekauert
auf den kalten Steinen, ohne sich zu rühren. Auch das
Kind war merkwürdig still. Sie hielt es auf dem Schooß
und hatte wie zum Schutz ihre Arme darüber gebreitet,
in die Arme wieder hatte sie ihren Kopf vergraben. Meh-
rere Vorübergehende, dicht in ihre Mäntel gehüllt, blieben
vor ihr stehen. Da sie aber auf ihre Anrede keine Antwort
erhielten, gingen sie wieder weiter. Endlich gegen Mor-
gen wurde die Nachtwache auf die stille, zusammenge-
kauerte Gestalt aufmerksam und richtete sie empor. Die
Mutter lag halberstarrt, in einer tiefen Ohnmacht, und
wurde sogleich ins Krankenhaus geschafft. Das Kind war
todt.
Am Abend des dritten Tages stand der Oberarzt vor einem
Bett in dem großen Krankensaal. In einem Lehnsessel
saß ein Wärter, der in dem Augenblick, wo der Arzt nicht
mehr zu ihm sprach, eingeschlafen war. Es war unheim-
lich still in dieser Wohnung des Jammers. Von der Decke
verbreitete eine Ampel ihr düsteres Licht über die lange
Reihe von Krankenbetten, die sich an beiden Seiten des
Saals hinzogen, die Uhr pickte einförmig wie ein Todten-
vogel die Minuten der Lebenden ab, und dazwischen tönte
zuweilen ein dumpfer Schmerzenslaut oder ein ängstliches
Röcheln von den Lagerstätten.
Der Arzt stand noch vor Mathildens Bett, die hier eben
im Verscheiden lag. Sie hatte während ihrem Krankenlager
nichts zu sich genommen, und obwohl sie vollkommen be-
wußtlos war, immer mit großer Hartnäckigkeit die Zähne
zusammengebissen, wenn man ihr Arznei einflößen wollte.
Ihr Aeußeres war zum Erschrecken eingefallen, ihre Züge
kaum mehr zu erkennen. Jetzt hatte ihre Erlösungsstunde
geschlagen, ihr Röcheln wurde unterbrochner, dann auf
einmal war es still. Sie war todt. Der Arzt sah nach der
Uhr, schrieb dann einige Worte auf einen Zettel und
weckte den Wärter.
„Da liegt der Todtenschein,“ sagte er, indem er hastig den
Mantel umwarf, „Ihr werdet ihn morgen früh besorgen.“ —
Der Wärter war aufgestanden und horchte, bis drau-
ßen auf dem Korridor die schnellen Schritte des forteilen-
den Arztes verhallt waren. Dann reckte er sich und sagte
gähnend:
„Nicht eine Stunde ruhigen Schlafs gönnen sie Einem,
könnten die Leute nicht ebensowohl am Tag sterben? —
Ach, es ist das Mädchen, welches sie vor drei Tagen erst
herbrachten,“ fügte er hinzu, auf den Todtenschein blik-
kend. „Nun, es ist gut, daß sie todt ist, sie hätte doch kein
selig Ende genommen. Für der Art Leute ist der Tod das
Beste, denn im Leben nimmt sich Keiner ihrer an, und solch
Leben, — nun, sie hat’s auch selbst wohl eingesehen!“ —
Damit zog er die Decke über die Leiche, und setzte sich
wieder in den Lehnstuhl, um weiter zu schlafen.
Die Rechtsfrage.
„Beschwerden über polizeiliche Verfügungen jeder
Art, auch wenn sie die Gesetzmäßigkeit derselben
betreffen, gehören vor die vorgesetzte Dienstbe-
hörde.“ —
Preuß. Gesetzsammlung, Ges. v. 11. Mai 1842
as ist ja eine empörende Nichtswürdigkeit!“ rief die
DDame vom Hause. „Und der Handwerker hatte wirk-
lich gar nicht einmal etwas begangen?“ —
„Ich habe ihn selbst vor der Amputation befragt,“ sagte
der junge Arzt, „und mit seiner Erzählung stimmen auch
die Aussagen von Augenzeugen überein. Er war am Nach-
mittag mit seiner Geliebten in einem öffentlichen Garten
gewesen, hatte sie bei einbrechender Nacht noch bis an
ihre Hausthür geleitet, und trat dann seinen Heimweg an.
Vielleicht aus Freude über den frohen Tag und in Gedan-
ken an die Liebste, von denen sein Herz voll war, suchte er
schneller aus dem Gewühl der Gassen nach seiner stillen
Kammer zu gelangen und fing an zu laufen. In der Fried-
richsstraße ist er eben an einem Schenklokale vorüber ge-
kommen, als hinter ihm ein Mensch aus dem Hause springt,
quer über die Straße rennt, und ohne daß der Handwerker
ihn nur gesehen, in einer Nebengasse verschwindet. Gleich
darauf stürzt ein Anderer, ein Gensd’arme, aus der Kneipe,
sieht eine Strecke weiter unsern Handwerker laufen, und
eilt ihm mit zornigem Eifer nach. Der Mann ist nicht wenig
bestürzt, als er sich plötzlich durch eine brutale Faust aus
seinen Träumereien geschreckt fühlt. Er sucht den Wäch-
ter der öffentlichen Ruhe umsonst zu belehren, daß er im
Irrthum ist; die Faust desselben läßt seine Gurgel nicht los,
sondern schüttelt ihn nur desto derber, und Schimpfwörter
und Drohungen, ihn auf das
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