Polizei-Geschichten
darin überein, daß solchergestalt der Polizei
die Ausübung großer Willkühr zustehe; daß es gar nicht
darauf ankomme, ob sie vielleicht in Wirklichkeit keinen
so schreienden Mißbrauch davon mache, wie das letzte
Beispiel meine, daß es aber schlimm genug sei, daß solch
ein Mißbrauch überhaupt nur Statt finden könne .
Der Kriminalrath hatte an dieser Diskussion keinen
Antheil genommen, als ihn jetzt die Wirthin durch eine
Frage ins Gespräch zog.
„Es läßt sich nicht leugnen,“ sagte er am Schluß einer
sehr gelehrten Erklärung über das Wesen der Polizei, „daß
bei den gegenwärtigen Verhältnissen dem einzelnen Be-
amten sehr viel Eigenmächtigkeit und willkührliche Hand-
habung seiner Gewalt überlassen ist. Auch gestehe ich,
daß es schlimm und mit den Rechtsbegriffen nicht ganz
vereinbar erscheint, wenn diese Gewalt der Polizeibehörde
so wenig normirt ist, daß sich ein Mißbrauch oder eine
Ueberschreitung derselben, und also auch eine gesetzliche
Verantwortung, fast gar nicht bestimmen lassen. Allein
bei den gegebenen Verhältnissen muß man sich nun ein-
mal mit dem Vertrauen behelfen, daß die Polizei behörde
außerordentliche, oder wenn Sie so wollen: willkührliche
und eigenmächtige Maßregeln nicht ohne dringende Ver-
anlassung ausüben wird, dagegen wenn solche vielleicht
von ihren Beamten ausgeübt werden sollten, dies zu ahn-
den weiß. Die Polizei ist eine Sicherheitsbehörde, und als
solcher muß man ihr das Recht zu außerordentlichen Maß-
regeln einräumen, die vielleicht den strengen Rechtsbegrif-
fen nicht gemäß, aber zur Aufrechthaltung der öffentlichen
Ordnung nothwendig sind. Das ist jedoch keine Willkühr,
sondern eben Nothwendigkeit der Sicherheitsbehörde.“ —
„Was man so öffentliche Ordnung heißt!“ erwiederte
der junge Arzt. „In einer Gesellschaft freilich, welche
die Ungleichheit und die Gegensätze zur Bedingung ih-
res harmonischen Ganzen macht, sind Sicherheitsbehör-
den zur Aufrechthaltung dieser Ordnung nothwendig; es
könnte ja sonst den privilegirten Unterdrückten und Ver-
hungernden einmal einfallen, das Privilegium der Herren
und Eigenthümer unsicher zu machen und die Unordnung
der Gleichheit einzuführen. So lange Sie von der heu-
tigen Gesellschaft ausgehen, haben Sie hierin vollkom-
men Recht, Herr Kriminalrath, und Sie werden dann ge-
wiß auch so konsequent sein, die größte Despotie als die
größte Garantie der Sicherheit der öffentlichen Ordnung
anzuerkennen. — Wenn Sie aber der Polizei durchaus
den Begriff der Willkühr nicht zugestehen wollen, so thun
Sie doch Unrecht. Sie sagen, die Behörden selbst würden
nur bei dringenden Veranlassungen, also zur Sicherung
der bekannten öffentlichen Ordnung, sogenannte au-
ßerordentliche, mit den menschlichen und richterlichen
Rechtsbegriffen nicht ganz übereinstimmende Maßregeln
in Anwendung bringen. Allein wer entscheidet denn über
die Veranlassung und ihre Dringlichkeit? Giebt es bestim-
mende Gesetze hierüber? Oder ist die Berufung der drin-
genden Veranlassung und höherer Rücksichten nicht viel-
mehr der Willkühr der Polizei überlassen, welche eben nur
sich selbst verantwortlich ist? Sie vertrauen ferner, daß die
Polizeibehörde dagegen wohl außerordentliche Maßregeln,
die ein einzelner Beamter eigenmächtig ausgeübt, ahnden
werde. Wer aber entscheidet über die Eigenmächtigkeit,
die Unbefugtheit seiner Maßnahme? Der Beamte ist nur
seiner Behörde gegenüber, also den Polizeibegriffen ge-
mäß, die ihn selbst leiten, verantwortlich; es fällt daher
auch hier wieder den unbegrenzten Polizeibegriffen und
der Willkühr der Polizei die Bestimmung anheim, ob der
Beamte seine außerordentliche Maßregel aus unbefugter
Eigenmächtigkeit oder aus dringender Veranlassung aus-
geübt hat. — Uebrigens weiß ich auch nicht, warum die
Polizei nicht willkührlich handeln sollte. Sie ist, wie Sie
selbst sagten, eine Sicherheitsbehörde, sie steht nicht auf
dem Rechts- oder Gesetzes-Boden; darum kann man ihr
keinen Vorwurf aus der Handhabung ihrer Unrechtmäßig-
keit und Ungesetzlichkeit machen.“ —
„So vertheidigen Sie also die Einrichtung der Polizei?“
sagte die Frau vom Hause.
„Da schieben Sie mir, weil ich mit dem Einen nicht ein-
verstanden bin, die entgegengesetzte, kontradiktorische
Meinung unter, gnädige Frau. Ich tadelte, daß man der Po-
lizei aus ihrer Willkühr einen Vorwurf machte,
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