Polizei-Geschichten
aufgedrückt ist, wohl je
zu Theil? Kann ihm eine Klage, selbst wenn er sie gewinnt,
die Schmach, vor den Augen des Publikums so behandelt
worden zu sein, vergessen machen?“ —
„Und — und — erlauben Sie mir noch den Einwurf
auf Ihre Behauptung,“ sagte die Dame ungeduldig, indem
sie mit dem Zeigefinger ihrer kleinen Hand befehlend auf
den Tisch klopfte und ihren Lockenkopf zurückwarf. „Sie
bemerkten, daß man in jedem Falle der administrativen
Gewalt zu Gehorsam verpflichtet sei; meinen Sie das auch
für den Fall, daß ein Polizeibeamter etwas durchaus Un-
gehöriges verlangt, z. B. Jemanden ins Wasser zu springen
befiehlt? Wie dann, Herr Kriminalrath?“ —
Der Kriminalrath legte den Theelöffel zur Seite und
schob seine Brille höher unter die Augen.
„Der Staatsbürger,“ begann er bedächtig, „ist seiner Ob-
rigkeit und jedem ihrer vollstreckenden Werkzeuge Gehor-
sam schuldig, und es steht ihm ein Urtheil, ob der Befehl
vielleicht ungehörig sei, gar nicht zu. Sie werden mir we-
nigstens einräumen, daß es der Polizei im entgegengesetz-
ten Falle gar nicht möglich sein würde, einen in der That
dringend Verdächtigen oder in ihren Augen überführten
Verbrecher zu verhaften, indem alsdann jeder auf seine
Unschuld oder die Ungehörigkeit der Maßregel hin sich
widersetzen würde.“ —
„Aber, Herr Kriminalrath — “
„Erlauben Sie, meine Gnädige, daß ich das gesetzliche
Verhältnis erst auseinandersetze, dann werden sich Ein-
würfe und Fragen am einfachsten erledigen lassen. Es
kommt hier doch nur auf die Rechtsfrage an, wieweit die
gesetzliche Macht der Polizei reicht, und welche gesetzli-
chen Mittel Ihnen dawider zustehen. Ob Sie gegen die Ge-
setze selbst Einwendungen zu haben glauben, ist eine an-
dere Sache. — Ich sagte, daß Jeder der exekutiven Gewalt
Folge leisten müsse. Die Untersuchung, ob die einzelnen
Maßregeln ungehörig waren, fällt der vorgesetzten Behörde
anheim, an welche sich der in seinem Recht vermeintlich
Gekränkte oder Unschuldige mit einer Beschwerde zu wen-
den hat. Ihre Bemerkung daher, mein junger Brausekopf,“
wendete er sich an den jungen Maler, „daß nämlich eine
Klage, selbst wenn er sie gewinne, dem unschuldig Ver-
letzten keine Satisfaktion gewähren könne, war diesmal
nicht am Ort, denn eine Klage steht demselben gar nicht
zu, würde vielmehr von jedem Gericht zurückgewiesen
worden sein. Sein Rechtsweg ist der der Beschwerde an
die vorgesetzte Behörde des veranlassenden Beamten — “
„Die alsdann die Beschwerde dem Angeklagten selbst
zustellt, damit er sage, ob sich die Sache auch ganz so ver-
halte,“ rief der Arzt lachend, „und das Resultat ist bei der
natürlichen, unpartheiischen Darstellung des Beklagten,
dem seine Vorgesetzten ja vollen Glauben schenken, leicht
vorauszusehen!“ —
„Da in unserm Falle eine bloße Verwechslung vorlag,“
fuhr der Kriminalrath fort, „indem der Gensd’arme den
Schneider für den entlaufenen Schuldigen hielt, so zweifle
ich allerdings nicht, daß der Schneider, wenn er sich hätte
verhaften lassen, mit einer Beschwerde gar nichts, auch
nicht einen Verweis an den Gensd’armen erreicht haben
würde. Hätte der Gensd’arme den Handwerker bei einem
peinlichen Zusammentreffen und nicht bei Ausübung
seines Amtes verletzt, so hätte dem Handwerker der or-
dentliche Rechtsweg gegen ihn als Privatbeleidiger offen
gestanden. Hier aber schützt denselben seine amtliche
Funktion.“ —
„Eine schöne Unterscheidung!“ bemerkte der neben
ihm sitzende rheinische Maler.
„Eine Klage gegen die exekutiven Behörden ist nur in
dem einzigen Fall statthaft, daß Jemand einen Schaden an
Besitz und Eigenthum nachweisen kann, der ihm durch
eine außerordentliche Maßnahme erwachsen ist.“ —
„Eine außerordentliche, d. h. gesetzlich nicht zu recht-
fertigende,“ sagte der Arzt zu der Dame des Hauses ge-
wendet halblaut. Diese aber gab ihm ein Zeichen, an sich
zu halten, und sah auf den Kriminalrath, der immer unbe-
irrt fortfuhr.
„Diesen Fall nämlich hat das Gesetz besonders vorgese-
hen, indem es dem Benachtheiligten ausdrücklich eine Ent-
schädigungsklage gegen die Polizeibehörde zugesteht; doch
ist dabei von einer Rehabilitation in die frühern Rechte nicht
die Rede. Wenn es daher z. B. vorkommt, daß die Polizeibe-
hörde Leute aus Orten, wo sie gesetzlich ein Heimathsrecht
besitzen, dennoch fortweist, wie dies
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