Polizei-Geschichten
wolle. Das machte ihn noch
gröber, und wie das so geht, gab ein Wort das andere. Zu-
letzt ließ er uns Beide durch seinen Sergeanten nach dem
Polizeigefängniß bringen. Sehen Sie, Herr Doktor, das ist
in Wahrheit die ganze Geschichte, um derentwillen ich ge-
stern nicht gekommen bin, und Sie werden gewiß selbst
sagen, daß ich unschuldig daran war. Aber ich werde mir
das auch nicht gefallen lassen.“ —
„Wahrscheinlich wird Euch jedoch nichts Anderes übrig
bleiben!“ sagte ich dem Schuster auf diesen zornigen Epi-
log seiner Erzählung. „Die Nacht auf dem Gefängniß wird
Euch Niemand abnehmen.“ —
„Aber ich will doch sehen, ob ich dafür eingesperrt
werden kann, weil ich meinem Bruder drei Thaler leihe!“
eiferte er weiter. „Und wissen will ich, ob der Kommissa-
rius das Recht hat, ehrliche Arbeiter Lumpengesindel zu
tituliren! Gestern Mittag erst ließen sie uns aus dem Loch
und nahmen im Polizeihaus ein Protokoll über uns auf.
Dann brachten sie meinen Bruder aus der Stadt, — das
mag vielleicht in der Ordnung sein, aber mich mußten sie
freilassen; ich lief gleich zu Ihnen, um Sie zu bitten, mir
eine Klagschrift aufzusetzen. Da Sie nicht zu Hause waren,
ging ich zu dem Studenten im Hintergebäude, den ich auch
bediene, und der hat mir denn eine Beschwerdeschrift an
das Polizeidirektorium aufgesetzt.“ —
Ich war der Ansicht, daß er seine Beschwerde besser
bei sich behalten hätte, aber Schwind antwortete, er wolle
sich sein Recht nicht nehmen lassen, und brauche sich
darin vor Niemanden zu fürchten. Ueberdies war die Vor-
stellung auch bereits abgegangen.
Da mich die Sache interessirte, so erkundigte ich mich
nach einigen Tagen bei einem meiner Bekannten danach, wel-
cher auf der Polizei arbeitete. Hier vernahm ich schon, daß
der Kommissarius bei seinem Vorgesetzten in sehr gutem
Ansehen stehe, und daß bisher gegen denselben noch keine
Beschwerde laut geworden sei. Es war daher mit Gewißheit
anzunehmen, daß sich der Polizeidirektor in dieser ersten
Beschwerde, wenn sie nicht auf gar zu gräuliche Veranlas-
sung gegründet war, seines Unterbeamten annehmen werde.
Und das geschah denn auch.
Der Polizeidirektor gab dem Kommissarius selbst die
Beschwerde, und befragte ihn bloß über die Veranlassung
der Sache. Der Kommissarius erklärte darauf, daß er die
beiden Handwerker zur Vernehmung nach der Polizei
transportirt habe, weil der Eine die polizeilichen Vorschrif-
ten beim Eintritt in die Stadt umgangen, und der Andere
ihm dabei behülflich gewesen sei. Ob er den Ausdruck
„Lumpengesindel“ gebraucht, wisse er nicht; indeß sei es
gar nicht anders möglich, als daß Einem bei solchen Leu-
ten, die in überwiesenen und theilweise geständigen Ver-
gehen noch die dümmsten Lügen und Kniffe versuchten
und freche Reden führten, endlich auch einmal das Maaß
der Geduld überlaufe.
Mit dieser Erklärung war die Sache für den Polizeidi-
rektor hinlänglich erörtert. Schwind wurde nach einigen
Tagen auf das Polizeiamt geladen, und erhielt hier einen
Verweis über die Frechheit, mit der er nach seinem unge-
setzlichen Betragen noch Beschwerde führen wollte. Als er
darauf zu repliciren versuchte, warf ihn der Polizeiaktuar
zur Thür hinaus.
Dies war das förmliche Resultat seiner Beschwerde.
Nebenbei aber hatte er sich auch den Polizei-Kommissa-
rius persönlich verfeindet, und dieser wartete nur auf eine
Gelegenheit, um den Schuster für seine Respektlosigkeit
büßen zu lassen.
Mittlerweile hatte sich Schwind’s Bruder im Lande
herum von Ort zu Ort gewendet. Ein paar Mal war er
auch von Meistern in Arbeit genommen worden, allein der
Verdienst war im Ganzen sehr gering, und es gefiel ihm
daselbst überhaupt nicht. Er schrieb daher wiederum an
seinen Bruder, und bat ihn um das nöthige Geld, damit er
jetzt zurückkehren könne. Schwind schickte ihm drei Tha-
ler und schrieb ihm dabei, daß er ihm dieselben schenke.
Somit zog der Handwerksbursch wieder nach der Stadt,
in der sichern Voraussetzung, daß man ihm nunmehr
nichts weiter anhaben werde. Er war jedoch kaum zwei
Tage am Ort, als der Kommissarius, der davon Nachricht
erhielt, ihn verhaftete und als einen Widersetzlichen, der
trotz polizeilicher Ausweisung wieder zurückgekehrt sei,
nach dem Polizeigefängniß ablieferte. Hier blieb er acht
Tage. Dann aber wurde er trotz seiner Vorstellung, daß
er jetzt den vorschriftmäßigen Anforderungen
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