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Polizei-Geschichten

Polizei-Geschichten

Titel: Polizei-Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Dronke
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vorzeigen,“
    fragte ich den Schuster, „das ist eine Bestimmung, die ich
    noch nicht kenne.“ —
    „Das ist so eine Vorschrift in unserm Lande,“ antwor-
    tete mir Schwind. „Jeder wandernde Handwerksbursch
    muß am Thor drei Thaler vorzeigen, oder er wird gar nicht
    in die Stadt gelassen und muß wieder umkehren.“ —
    „Wahrscheinlich um zu verhüten, daß ein Geselle, der
    keine Arbeit findet, der Gemeinde zur Last fällt.“ —
    „Ich glaube wohl,“ sagte der Schuster. „Aber es ist doch
    eine schlechte Einrichtung. Wenn ein armer Handwerks-
    bursch, der keine drei Thaler besitzt, an eine Stadt kommt,
    wo er sicherlich ein Verdienst finden kann, so wird er zu-
    rückgewiesen. Heißt das nicht den Armen auf Kosten der
    Reichen das Brod verkürzen? Und wenn sie ihm so sein
    Unterkommen verwehren, wie sorgen sie wohl weiter für
    ihn? Er muß denselben Weg, auf dem er gekommen ist,
    zurück machen, ohne Geld, ohne Verdienst, und das Bet-
    teln ist ihm auch verboten. Nirgends nehmen sie ihn auf.
    Auf diese Art kann er zehnmal verhungern, ehe er es ein-
    mal zu etwas bringt, oder er muß sich durch Lügen und
    Kniffe zu helfen suchen; er wird ja dazu gezwungen. Die
    meisten thun das denn auch. Entweder geben sie einem
    Bauer, der in die Stadt fährt, ihren Ranzen, Stock und Hut
    in Verwahrung, und gehen wie Tagelöhner hinein; oder
    wenn mehrere zusammen sind, so geben sie Einem ihr ge-
    sammtes Geld, damit dieser zuerst in die Stadt geht, auf
    der Herberge seine Sachen ablegt, und den draußen War-
    tenden das Geld zurückbringt. So kömmt denn Einer nach
    dem Andern hinein.“ —
    „Und die Leute sind immer so ehrlich, und bringen
    das Geld zurück?“ fragte ich den Handwerker. „Es macht
    sich nie Einer mit dem Geld fort, und läßt die Andern
    sitzen?“ —
    „Das kommt wohl nie vor,“ antwortete Schwind mit
    dem Ausdruck ehrlicher Ueberraschtheit. „Die Leute sind
    durch die Gleichheit ihres Looses fast an Gemeinleben
    gewöhnt, und da betrügt nie Einer den Andern. Ich habe
    wenigstens nie davon gehört.“ —
    „Aber wie hängt das nun mit Eurer Verhaftung zu-
    sammen?“ —
    „Ja, sehen Sie also, Herr Doktor, nachdem wir in die
    Stadt gekommen waren, begleitete ich meinen Bruder auf
    die Herberge: denn wenn man einander so lange nicht
    gesehen hat, so will man auch wieder einmal ein Glas
    zusammen trinken. In der Herberge waren nun mehrere
    andere Handwerksburschen zugegen, die sich ebenfalls in
    die Stadt hatten schmuggeln müssen, und als wir uns zu
    ihnen setzten, erzählte mein Bruder ihnen seine Einfahrt,
    und wie das so ist, wurde darüber weiter gesprochen.“ —
    „Das heißt, es wurde darüber weidlich losgezogen?“ —
    „Nicht viel, Herr Doktor. Mein Bruder und ich hatten
    uns auch mehr über andere Sachen zu unterhalten. Nun saß
    da aber auch ein Kerl, dem ich von vornherein nicht traute,
    ein Fleischergesell hier aus unserer Gasse, ein grundlieder-
    licher Mensch, den ich mir dadurch verfeindet habe, daß ich
    ihm einmal abschlug, ohne Bezahlung ein Paar Stiefel zu
    besohlen. Der hat nun wahrscheinlich die Geschichte mit
    meinem Bruder, so wie er sie gehört hatte, auf der Polizei
    angezeigt, denn ich kriegte am Nachmittag eine Vorladung
    vor den Revierkommissarius, zu dem sie auch schon meinen
    Bruder geholt hatte. Der Kommissarius fuhr mich gleich
    mit groben Worten an, wie ich mich unterstehen könne, den
    Leuten bei Umgehung der Polizei-Vorschriften behülflich
    zu sein? Ob ich nicht wisse, daß ein Handwerksbursch, der
    ohne Geld herumvagabondire, die Stadt nicht betreten dürfe?
    Ich wußte nun nicht, daß mein Bruder, der die drei Thaler
    nicht mehr aufweisen konnte, die Sache schon eingestan-
    den hatte, und sagte: daß das nicht wahr sei, ich hätte ihm
    kein Geld geliehen. Da zog mich der Kommissarius beim
    Rockkragen vor meinen Bruder hin, und rief diesem zu, er
    solle doch dem Lügner noch einmal die Wahrheit erzählen.
    Wie ich das hörte, gestand ich denn, daß ich meinem Bru-
    der allerdings drei Thaler geliehen, daß mir das aber meiner
    Ansicht nach Niemand verwehren könne, und daß es mich
    nichts angehe, wozu er das Geld brauche. Nun fuhr der
    Kommissarius erst recht auf mich ein, und sagte zuletzt:
    „„Solches Lumpengesindel glaubt auch noch die Polizei
    an der Nase herumführen zu können.““
    „Da lief mir denn auch die Galle über. Ich sagte, daß
    ich mir solche Ausdrücke verbitte, oder mir schon auf an-
    dere Weise Recht verschaffen

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