Polizei-Geschichten
genügen
könne, aus der Stadt geschafft und zugleich bei geschärfter
Gefängnißstrafe verwarnt, je wieder zurückzukehren.
Schwind erzählte mir diese neue Wendung der Dinge
mit eben nicht gelinden Ausdrücken gegen den Polizei-
Kommissarius, und bat mich im Namen seines Bruders,
eine Beschwerde an das Polizeidirektorium zu entwerfen.
Obwohl ich mir von solchem Beschwerdeweg gleich zu An-
fang wenig Erfolg versprach, so erfüllte ich doch Schwinds
Bitte um so mehr, als meiner Ansicht nach die schon be-
stehenden Verhältnisse nicht wohl verschlimmert werden
konnten. Die neue Eingabe ging ab, und kam in erster In-
stanz an den Polizeidirektor. Dieser aber hatte bereits das
erste Verfahren des Kommissarius gegen Schwinds Bruder
gutgeheißen, und war daher hier gewissermaßen zur Par-
teinahme gezwungen.
Ich vernahm später, daß der Polizeidirektor den Kom-
missarius habe zu sich kommen lassen und ihm über sein
Verfahren einen Verweis gegeben habe. Die Beschwerde
Schwinds aber wurde nichtsdestoweniger als unbegrün-
det zurückgewiesen und das Verfahren gegen den Hand-
werksburschen bestätigt. Das ist nicht selten der Verlauf
des Beschwerdeganges. Das erste Mal wird die vorgesetzte
Behörde regelmäßig ihren Unterbeamten in Schutz neh-
men, indem der Beschwerdeführer ihr ferner steht; beim
zweitenmal ist sie dann schon selbst als Partei betheiligt.
Schwind remonstrirte diesmal nach der Residenz an
das Ministerium. Nachdem seine Beschwerde hier einige
Zeit gelegen, wurde sie der Polizeidirektion unserer Stadt
zur Berichterstattung eingeschickt. Der Polizeidirektor ließ
nun wieder den Bericht des Kommissarius zu Protokoll
nehmen, um darauf seinen eignen letzten Bescheid zu er-
gänzen. Daß hierbei die Angelegenheit Schwinds in kein
eben günstiges Licht treten konnte, war wohl natürlich,
denn jetzt war nicht mehr der Kommissarius allein der Be-
klagte, sondern der Polizeidirektor hatte selbst seine letzt-
erlassene Entscheidung zu justificiren. Als die Entschlie-
ßung des Ministeriums endlich einlief, war sie denn auch,
wie dies nur zu erwarten stand, eine abweisende.
Von nun an saß der Kommissarius dem armen Schu-
ster mehr als je auf dem Nacken. Sei es, daß er wirklich
einzelne Veranlassungen dazu fand, sei es, daß er nach
der letzten Wendung die Stimmung seines Vorgesetzten
nicht mehr fürchten zu müssen glaubte, kurz, die kleinen
Quälereien nahmen kein Ende. Die schönste Gelegenheit
aber bot ihm in kurzer Zeit eine Veränderung in Schwinds
Verhältnissen.
Schwind hatte bis vor einem halben Jahre seine alte
Mutter bei sich ernährt, die ihm dafür das Hauswesen be-
sorgte. Als die alte Frau dann gestorben war, hatte er ein
halbes Jahr lang allein gewohnt, aber seine Junggesellen-
Wirthschaft behagte ihm nicht mehr, und er wollte sich
nun eine Hausfrau nehmen. Hierzu mußte er den Anfor-
derungen genügen, welche bei Gestattung der Niederlas-
sung gemacht werden. Schwind war in unserem Lande
geboren, sein Heimathsort lag nur wenige Meilen von der
Stadt entfernt, und er hatte daher nur noch den Nachweis
selbstständigen Erwerbes zu führen. Der Kommissarius,
welchem die Aufnahme dieser Verhältnisse oblag, ließ
auch die Angaben des Schusters zu Protokoll nehmen, und
schickte die Papiere an die Polizeidirektion. Nach Verlauf
von drei Wochen lief von hier der Bescheid ein.
Schwind war nur Flickschuster, das heißt, er durfte, da
er nicht Meister geworden, keine neuen vollständigen Ar-
beiten übernehmen, es sei denn im Dienst anderer Meister.
Indem in dem Bescheid der Polizeidirektion dies Verhält-
niß hervorgehoben wurde, hieß es unter Anziehung eines
Gesetzes, wonach zur Niederlassung der Nachweis selbst-
ständigen Lebenserwerbes erforderlich, und einer Polizei-
verordnung, wonach der Nachweis von bloßen Arbeits-
kräften in dieser Begehung nicht ausreichend sein sollte,
alsdann weiter:
daß demgemäß im vorliegenden Falle der Nachweis
selbstständigen Erwerbes nicht als geführt angenom-
men werden könne, vielmehr der Vermuthung Raum
gegeben sei, Supplikant werde mit seiner Familie frü-
her oder später der Gemeinde zur Last fallen, und es
müsse seinem Gesuch um Gestattung der Niederlas-
sung behufs Begründung eines Haushaltes die Geneh-
migung verweigert werden.
Schwind war durch den Ausgang seiner ersten Beschwerde
von jedem neuen derartigen Versuch zurückgekommen,
und nahm diesen Bescheid stillschweigend
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