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Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Titel: Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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steht, schon brechen, damit sich ein Gespräch ergibt. Ich frage die Frau, die sehr korpulent ist und
     sich in ihrem Kiosk kaum wenden kann, weshalb nur die Luke, in die man hineinspricht und durch die hindurch einem die Waren
     gereicht werden, immer so tief hängt. Da lacht sie laut auf. Kurz und heftig und sagt, das wisse doch jeder. Die Firma »Ruch«,
     der die Kioske gehören, habe es auch schon zu kommunistischen Zeiten gegeben. Mangelwirtschaft. Eigentlich sei geplant gewesen,
     die Kioske mit einem Betonsockel zu versehen. Doch der Finanzierungsnot wegen habe man den Sockel schnell wegrationalisiert,
     und so bücke sich das Land bis heute ganz umständlich zum kleinen Fenster hinab. Und die Kioske und die |163| Rückenschmerzen der Menschen sind der letzte kleine Rest, der an die kommunistische Zeit erinnert in Krakaus wiedererstandener
     Altstadt.
    Nein, da gibt es noch etwas, das es früher schon gab, die »Obwarzanki«, die mit Mohn und mit Salz bestreuten Brezeln, die
     ein Loch in ihrer Mitte haben, wie Bagels, und die Rentner verkaufen an kleinen, fahrbaren Ständen. Die Rentner sehen müde
     aus, als lägen die Jahre, die sie hinter sich haben, wie eine schwere Last auf ihrem Rücken. Sie warten auf Kunden und preisen
     ihre Waren nicht an. Sie haben graue Gesichter. Und wenn man hineinbeißt in die Obwarzanka, dann ist sie so hart, daß die
     Zähne schmerzen, und so geschmacklos, daß man sogleich ahnt, warum der Sozialismus zugrunde ging. Zugrunde gehen mußte. Schon
     der hohen Zahnarztkosten wegen.
    Einst gab es auf den Straßen der polnischen Städte Rhabarber, bitteren Rhabarber, Stauden, die den Kindern für wenige Groszy
     in die Hand gedrückt wurden und auf die man sich nur mäßig freute. Und in den Kiosken gab es kleine Plastiksoldaten, die einen
     roten Stern auf der Brust trugen. Und manchmal standen auch Indianer in den Auslagen. Die waren sehr begehrt und häufig ausverkauft.
     Sie gibt es heute gar nicht mehr.
    Ich finde das Piękny Pies sogleich. Die Kneipe, in der die Reise begann und der Tango mich fortriß. Keine Gäste, nur ein müder
     Kellner, der CDs sortiert an der Anlage. Ich trete hinein, trinke einen einsamen Kaffee, |164| und jetzt erst, bei meinem ersten Besuch von mir noch unbemerkt, erblicke ich eine Wandbemalung in einer Nische. Sie zeigt
     eine Frau und einen Mann, die sich anschauen mit leerem Gesichtsausdruck. Ich weiß nicht, woran mich das Bild erinnert; später
     werde ich es als Werbefotografie in einer Illustrierten wiederentdecken. Jemand hat es abgemalt. »Das hat der Maciejowski
     gemacht«, sagt beiläufig der Kellner. »Maciejowski?« Ja, erwidert er und sagt, Maciejowski sei einer der bekanntesten Künstler
     Polens, ich solle mich ruhig mal erkundigen, wenn ich ihm nicht glaubte. Und ein wenig sei man doch stolz auf das Wandbild.
     
    Ein neuer Morgen. Es regnet, vom Gastspiel des Frühlings nichts mehr zu spüren, der einzige warme Tag, der gestrige, ist vorüber.
     Eine der beständig Kaugummi kauenden Kellnerinnen im Hotel Ester hat ihre Fingernägel weiß lackiert, und ihr Mund ist in kräftigem,
     dunklem Rot gefärbt. Sie kellnert an meinem letzten Tag in der Stadt. Ihr Handy spielt plötzlich ein hektisches Lied, sie
     geht ran und lacht nach wenigen Sekunden laut auf, als flüstere ihr jemand unzüchtige Komplimente ins Ohr. Und als ihr Vorgesetzter
     in den Speisesaal schreitet, es muß ihr Vorgesetzter sein – ein untersetzter Mann um die 50 mit goldenen Knöpfen am Anzug
     und einer Glatze –, da unterbricht sie ihr Telefonat, und ganz eilig entstaubt sie den Tresen mit einem weißen Tuch. Das hatte
     sie vermutlich zu Schichtbeginn vergessen und |165| verwandelt sich nun augenblicklich von der koketten Diva in eine knechtische Leibeigene. Von dem Mann mit den goldenen Knöpfen,
     der ein Grinsen nicht zu unterdrücken vermag, erhält sie einen festen Klaps auf den Hintern. Zur Strafe. Und er zieht sie,
     die ihm bereitwillig folgt, die Treppenstufen hinauf, die vom Speisesaal zu den Gästezimmern führen. Nur einen Moment lang
     sieht es aus, als würde sie stolpern; in dem Augenblick, da sie sich in der Mitte der Treppe kurz umdreht und an mir vorbei
     durch die großen Fenster auf die Straße schaut. Ein flüchtiger Blick nur, da war sie auch schon weg. Und ich frage mich noch
     eine Weile, verlassen wie ich im Speisesaal sitze, ob sie wohl lächelte?

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DER MALER
    ER IST BEGEHRT, er ist kaum erreichbar: Marcin

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