Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen
Maciejowski ist ein Phantom, kaum jemand hat ihn bislang gesehen. Maciejowski
hat einen Exklusiv-Vertrag mit der Wiener Galerie Meyer Kainer. Seine Adresse wird streng unter Verschluß gehalten, sein Telefon
reagiert auf eine Geheimnummer. Maciejowskis Bilder hingegen strahlen seit einigen Jahren weit über die Grenzen Polens hinaus:
Fernsehbilder, Filmszenen und Fotos aus Boulevardzeitschriften verwandelt Maciejowski in Gemälde. Noch einmal erwachen die
flüchtigen Bilder der Alltagsmedien auf großformatigen Leinwänden zu neuem Leben. Nur Maciejowski selbst ist der Medienwelt
weitgehend verborgen geblieben.
Ich schlendere an meinem letzten Tag in Krakau durch die verwinkelten Gassen von Kazimierz, auf Umwegen gelange ich zu dem
geheimen Treffpunkt: der kleinen Wohnung des Künstlers. Eine blonde Frau, Maciejowskis Frau, bedeutet mir mit einem kurzen
Blick, im Wohnungsflur auf den Künstler zu warten. Ihr Mann schlafe noch. Resoluten Schrittes tritt sie in sein |168| Zimmer. Man hört zunächst ein Murmeln, dann folgt ein lauter Wortwechsel. Schließlich stürzt Maciejowski aus der Tür. Im Vorbeilaufen
fixiert er mich mit weit aufgerissenen Augen. Ein Paar Gummistiefel versperren ihm den Weg zum Bad, werden zur Falle auf der
Flucht, er stolpert. Maciejowski fängt sich an der Wand auf, öffnet ruckartig die Badezimmertür und schließt sich ein. Seine
Frau schenkt mir, im Flur stehend, derweil Kaffee ein, wortlos. Ein kleiner, blonder Junge umklammert ihr rechtes Bein. Er
lächelt, als Maciejowskis rhythmisches Zähneschrubben in den Flur dringt, sagt schüchtern »Papa« und entblößt seine Zähne.
Dann löst er sich von Mamas Bein und rennt leichtfüßig in sein Kinderzimmer.
»Mein Mann schläft immer so lange. Er arbeitet nachts«, erklärt Maciejowskis Frau und widmet sich in der Küche dem Abwasch.
Ratlos, was im verlassenen Flur zu tun sei, was höflich, was unhöflich, beschließe ich, bewappnet mit einer weißen Kaffeetasse,
mich eigenmächtig bei den Maciejowskis umzusehen. Der Holzboden knarrt unter den Schritten. An der Türschwelle bleibe ich
stehen. Das kleine Schlafzimmer Maciejowskis ist zugleich sein Arbeitsraum. An der Wand lehnt ein begonnenes Bild, feucht
glänzt die Farbe: Ein Männerkopf harrt auf rotem Hintergrund seiner Vollendung. Gleichgültig blickt er mich an. Papier, zahllose
Farbtuben, Rahmen, Socken und Pinsel stapeln sich auf dem Parkettboden. Der Schreibtisch quillt über: Zigarettenstummel, |169| Notizzettel, angebrochene und leere Mars-Zigarettenpackungen, ein Schraubenzieher und eine Nagelschere bilden eine flüchtige
Collage.
Ein Blick aus dem geöffneten Fenster. Balkone mit barocken Eisengittern zieren die Hinterhäuser im Innenhof. So also sieht
Kazimierz, das alte jüdische Viertel Krakaus, auf seiner Rückseite aus: Fernseher flimmern geräuschlos durch weiße Gardinen,
irgendwo bellt ein Hund, eine Frau in einem gelben Jogginganzug knipst das Licht an. Weit entfernt. Es ist vierzehn Uhr, unzählige
Fenster, Augen der Stadt, starren einen an. Grauer, polnischer Himmel. Ein endloser Schlaf scheint den gesamten Häuserkomplex
zu umnebeln. Ich setze mich auf eine Holzkiste. Warte.
Irgendwann schlurft Maciejowski ins Zimmer. Langsam. Die Flucht ins Bad hat ihn sichtlich ermüdet. Schweren Schrittes, den
kräftigen Bauch wie einen Fremdkörper vor sich hertragend, schaut er mich abwesend an. Es scheint eine Ewigkeit zu vergehen,
bis er sich auf dem einzigen Stuhl in seinem Atelier niederläßt. Er wirkt lethargisch und erschrocken zugleich.
»Herr Maciejowski, Sie sind in ganz Krakau präsent. Ihre Bilder schmücken Clubs und Boulevard-Magazine wie
Przekrój
. Und Sie sind mittlerweile einer der bekanntesten jungen Maler Polens. Hat sich Ihr Leben dadurch verändert?«
Marcin Maciejowski zuckt mit den Schultern. »Ja«, sagt er.
|170| »Inwiefern?«
Vor kurzem erst habe man ihn gefragt, ob er im Piękny Pies eine Wand bemalen wolle. »Irgendwas habe ich dann gemalt.« Maciejowski
überlegt. »Ich weiß nicht mehr, was.« – »Das mit dem Magazin, die kleinen Illustrationen«, fährt er nach längerem Zögern fort,
»das sind Auftragsarbeiten. Meine richtigen Bilder sind mir wichtiger.«
»Aber Sie malen immer wieder Werbung und Fotografien aus Hochglanzmagazinen ab. Kürzlich etwa Catherine Zeta-Jones – ein Paparazzi-Foto:
Sie ist im siebten Monat schwanger und steht etwas verloren in einem weißen Bikini
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