Polt - die Klassiker in einem Band
satt. Und diesem Professor im alten Zollhaus haben sie alle Fenster eingeschmissen. Der Mann hat nicht einmal Geld zum Heizen im Winter.“
Josef Schachinger trank aus und stand auf. „Jedenfalls werden sie jetzt wohl Ruhe geben. Ich hol euch noch was Besonderes, einen Roten Veltliner, da gibt’s nicht viel davon, darum trinkt ihn der Pfarrer als Meßwein.“
„Mh. Ein schönes Runderl hat er“, merkte der Kurzbacher lobend an, als er davon gekostet hatte, „da könnt man ins Simlieren kommen.“
Polt schaute fragend: „Simlieren?“
„Ihr jungen Leute könnt nicht einmal mehr Wiesbachtalerisch. Schön langsam nachdenken, heißt das. – Ob es wohl noch immer so schüttet draußen?“
„Kann uns doch egal sein.“ Schachinger schenkte nach. „Aber in Burgheim kann’s schon einmal kritisch werden mit dem Wasser, weil der Wiesbach ja zwischen dem Ort und der Kellergasse fließt. Ein paar Jahre ist es her, da sind ein paar Burgheimer im Keller vom Bürgermeister gesessen. Sogar der Feuerwehrkommandant war dabei. Na ja, und wie das eben so ist, am Nachmittag haben sie angefangen zu trinken, am Abend haben sie noch immer getrunken, und es hat geregnet und geregnet. Als sie dann gegen zehn endlich nach Hause wollten, sind die Preßhäuser an einem Seeufer gestanden.“
„Werden sie eben weitergetrunken haben“, bemerkte der Wolfinger. „Hast du übrigens was dagegen, wenn wir nach oben gehen, Josef? Mir wird schon kalt.“
Schachinger griff wortlos nach einer Flasche und ging voraus. Im Preßhaus war es merklich wärmer, doch immer noch kühler als im Freien. Polt, der diesen Raum noch nie bei Tageslicht gesehen hatte, schaute sich neugierig um. „Sie sind ja ein Sammler, Herr Schachinger!“
„Andere schmeißen das Zeug weg. Mich erinnert es daran, wie wir seinerzeit als junge Leute gearbeitet haben. Himmel, war das eine Schinderei.“ Er nahm ein etwa handgroßes längliches Stück Holz von der Wand. „Wissen Sie, was das ist, Herr Inspektor?“ Der Gendarm schaute genauer hin und sah zwei ineinandergeschobene Hölzer mit eingeritzten Querstrichen. „Keine Ahnung.“
„Das ist ein Robisch.“ Schachinger trennte die Teile. „Wenn zum Beispiel ein Bauer einen Tagelöhner beschäftigte, zog er am Abend zur Bestätigung der geleisteten Arbeit einen Strich über beide Hölzer. Jeder behielt seinen Teil und keiner konnte den anderen betrügen, weil die Striche ja zusammenpassen mußten.“
Polt war beeindruckt. „Da steckt Logik drin, könnte mir eigentlich auch nicht schaden. Vielleicht bringe ich damit in meinem Kopf endlich Phantasie und Wirklichkeit in die Reihe und zwinge mich dazu, ausnahmsweise einmal geradeaus zu denken.“
„Heute abend ist das bestimmt nicht mehr notwendig.“ Schachinger öffnete die Flasche. „Ein schöner, tiefdunkler Roter, kräftig und samtig, wie es sich gehört. Vielleicht hätte ich ihn noch gar nicht abfüllen sollen.“
„Weißt du was, Simon?“ sagte Friedrich Kurzbacher zwei Gläser später. „Am Wochenende ist eine Weinkost in der Burgheimer Mehrzweckhalle. Da hören wir uns für dich ein wenig um, was diesen Nachmittag oben am todten Hengst angeht.“
„Danke.“ Simon Polt fühlte sich deutlich besser. „Aber jetzt muß ich gehen, ich habe einen kranken Kater zu Hause.“
„Und ich eine böse Frau“, sagte Schachinger, „da bin ich besser daheim, wenn die schwarze Luft kommt.“
„Guten Abend also miteinander! Gottlob hat’s ja zu regnen aufgehört.“ Polt wischte mit der Hand über den nassen Sattel, stieg aufs Fahrrad, fuhr auf schmalen Wegen zwischen Weingärten und Äckern nach Brunndorf, freute sich über Czernohorsky, der ihm auf wackeligen Beinen entgegenkam, und sorgte dafür, daß der Kater und er nicht hungrig blieben.
Am nächsten Morgen rief schon um halb acht Karin Walter an. „Hallo, Simon. Kann ich zur dir kommen? Wir müssen reden.“
„Jederzeit. Ich habe dienstfrei.“
„Ich geh jetzt in die Schule. Paßt es dir gegen zwei?“
„Ja natürlich.“
„Also bis dann.“
Polt rief noch Harald Mank an, um ihm vom Gespräch mit den Vätern zu berichten. Dann wartete er auf Karin und brachte es nicht fertig, noch irgend etwas anderes zu tun.
Sie war pünktlich und schaute ernst drein. „Grüß dich, Simon. Was habt ihr gestern abend noch geredet?“
„Ich habe versucht, diesen Dickschädeln klarzumachen, daß die Buben nicht vor mir Angst haben, sondern offensichtlich etwas wissen, was ihnen einen Schock versetzt
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