Polt - die Klassiker in einem Band
recht. So geht es nicht. Ich werde mich bei Manfred Wieser entschuldigen.“
„Das wird nicht reichen. Ich habe ihm angeboten, daß sich die vier Väter und du heute gegen Abend im Extrazimmer vom Gasthaus Stelzer treffen. Wenn die Karin Walter mitkommen will, soll’s mir recht sein. Und bei dieser Gelegenheit mußt du einfach klare Verhältnisse schaffen, Simon, und ich muß wissen, wie es weitergeht. Eine Beschwerde über einen meiner Beamten an eine vorgesetzte Dienststelle hätte mir im Augenblick gerade noch gefehlt. Ist dir fünf Uhr recht? Dann gebe ich dem Manfred Wieser Bescheid.“
„Gut. Auf ein paar blaue Flecken mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an.“ Polt machte sich an die Arbeit.
Als es an der Zeit war, nahm er seine Uniformmütze vom Haken, ging zum Haus des Tierarztes, um sein Fahrrad zu holen und war pünktlich in Brunndorf.
„Grüß Gott, Herr Inspektor.“ Der Wirt deutete mit dem Kopf zum Extrazimmer. „Dicke Luft?“
Polt nickte nur und ging nach hinten. Die vier Väter saßen an der Schmalseite des Raumes um einen Tisch. Karin Walter saß allein, musterte ein paar Sekunden Polts noch immer verschwollenes Gesicht, sagte aber nichts. Der Gendarm setzte sich zu ihr. Die Lehrerin spielte nervös mit einem Bierdeckel. Dann gab sie sich einen Ruck, stand auf und schaute zu den vier Männern hinüber. „Es geht um eure Buben. Ihr habt allen Grund, euch Sorgen um sie zu machen. Mir ist es übrigens auch nicht gleichgültig, wie es denen geht. Gendarmerieinspektor Polt ist da, weil er damit zu tun hat.“
Polt nickte. „Und ich muß mich gleich einmal für etwas entschuldigen. Wie ich neulich mit Ihnen telefoniert habe, Herr Wieser, war das ganz und gar privat. Und es war unrecht von mir, Sie mit dem Hinweis unter Druck zu setzen, daß ich auch noch Gendarm bin.“
Manfred Wieser schaute wütend hoch. „Im Reden ist er gut, unser Herr Inspektor. Darauf lassen wir uns nicht mehr ein. Wir vier sind einer Meinung, und die werden Sie jetzt hören. Die Sache geht Sie einen Dreck an, Herr Polt. Wir haben unseren Buben verboten, in Zukunft auch nur ein Wort mit Ihnen zu reden. Wir kommen schon selbst mit denen zurecht. Und wenn die was angestellt haben sollten, werden wir eben durchgreifen.“
„Durchgreifen? Ich weiß nicht recht …“, sagte die Lehrerin leise.
„Sie stecken mit dem doch unter einer Decke.“ Manfred Wieser schaute verächtlich drein.
Karin Walter stand auf und verließ den Raum.
Polt betrachtete die vier Männer ruhig. „Ich habe den Zettel natürlich nicht weitergegeben, Herr Wieser. Die Gendarmerie hat mit der Sache nach wie vor absolut nichts zu tun. Ich werde mich auch so lange nicht mehr mit euren Buben treffen, bis ihr wieder anders denkt. Aber die Angelegenheit ist damit nicht erledigt. Eure Kinder haben panische Angst, und zwar nicht vor mir. Die haben irgend etwas Schreckliches erlebt. Man muß ihnen helfen.“
„Noch was?“ Manfred Wieser schaute zu Polt hoch wie ein Hund, der sich fürchtet, aber gleich beißen wird.
„Nein.“ Der Gendarm erhob sich langsam und wandte sich zum Gehen.
Polt hätte gerne noch in Brunndorf seinen Freund, den Friedrich Kurzbacher, besucht, aber das Hoftor war versperrt, und so bog Polt in die schmale Straße ein, die zur Kellergasse führte. Er hatte den ganzen Tag über nicht auf das Wetter geachtet, doch jetzt sah er, daß von Osten her, über der bewaldeten Kuppe des Grünbergs, blauschwarze Wolken aufgezogen waren. Als er die ersten Preßhäuser erreichte, brach das Gewitter los. Polt duckte sich im prasselnden Regen.
„Halt! Herein da!“
Der Gendarm bremste und sah Josef Schachinger in der offenen Tür seines Preßhauses stehen. „Das erste Gewitter, Herr Inspektor! Der Sommer kommt.“
Polt wischte sich mit einem Taschentuch den Regen aus dem Gesicht und schlug die Uniformmütze gegen den Balken der Weinpresse. „Kellerarbeit, Herr Schachinger?“
„Nicht wirklich. Ein paar Flaschen sollte ich etikettieren, aber das hat keine Eile. Ich hab’s zu Hause nicht mehr ausgehalten. Gehn wir in den Keller?“
„Nichts lieber als das.“
Inspektor Polt konnte sich gut an Schachingers unterirdisches Reich erinnern. Die Kellerröhre drang stark gekrümmt in die Tiefe vor und endete in einer Art Höhle, in der ein Tisch und Sessel standen. Vor gut zwei Jahren war Polt hier mit vier Weinbauern zusammengesessen. Alle waren sie damals des Mordes an Albert Hahn verdächtig gewesen, auch der
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