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Polt - die Klassiker in einem Band

Polt - die Klassiker in einem Band

Titel: Polt - die Klassiker in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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Stück weiter.“
    Harald Mank las und nickte. „Ein geschickter Anwalt kann daraus schon etwas machen, im Sinne Breitwiesers, meine ich.“
    „Wenn der sich einen Anwalt leisten kann. Übrigens was dagegen, wenn ich nachmittag kurz zum Runhof fahre? Ich möchte wissen, wie es den alten Leuten da draußen so geht.“
    „Nur zu. Aber vorher würde ich an deiner Stelle ja doch noch den Herrn Frieb besuchen. Auch wenn er Kreide gefressen hat, sollte man ihn nicht zu sehr warten lassen. Ich werde dich für halb drei anmelden, recht so?“
    „Freilich. Für ein Gespräch mit liebenswerten Menschen bin ich stets zu haben.“
    Als Simon Polt pünktlich läuten wollte, bemerkte er, daß ihm Paul Frieb durch den Garten entgegenkam. „Guten Tag, Herr Inspektor, und danke, daß Sie so rasch gekommen sind. Bitte folgen Sie mir.“
    Diesmal führte der Weg ins Wohnzimmer, einen kühl und sachlich wirkenden Raum, in dem Weiß und Schwarz dominierten. Frieb wies auf einen der schweren Lederfauteuils. „Bitte, nehmen Sie Platz.“ Er setzte sich Polt gegenüber und schwieg lange. Dann beugte er sich vor und schaute dem Gendarmen forschend ins Gesicht. „Die Situation ist für mich ungewöhnlich. Ich weiß nicht recht, wie ich beginnen soll. Nun gut. Vielleicht so: Als wegen der lebensgefährdenden Manipulation an Frau Walters Fahrrad Anzeige erstattet wurde, habe ich mich erkundigt, wie die Sache läuft. Mir stehen da einige Möglichkeiten offen. Und ich habe versucht, ein wenig auf das Verfahren Einfluß zu nehmen. Verstehen Sie mich recht, Inspektor, nicht um einen ungesetzlichen Vorteil herauszuschlagen, sondern um zu verhindern, daß Sie in Ihrem Rachedurst überreagieren. Das war unnötig. Ich bitte Sie, meine Einmischung zu entschuldigen.“
    Simon Polt hatte mit wachsendem Erstaunen zugehört und neigte nun höflich den Kopf.
    Paul Frieb lächelte unsicher. „Wegen dieses Überfalls in der Kellergasse gibt es noch keine Anzeige, wie?“
    Jetzt grinste Polt. „Ja wissen Sie, Herr Frieb, das ist so. Ärztliche Hilfe hat niemand in Anspruch nehmen müssen. Was die blauen Flecken angeht, war ich mit ihren Söhnen am Ende ziemlich quitt, und es ist ja dann fast noch ein netter Abend geworden.“
    „Sie sind ein seltsamer Mensch. Ich hatte am Tag darauf mit Anatol und René ein Gespräch, auch wenn deren Ausdrucksweise eine differenzierte Kommunikation a priori ausschließt.“
    Abermals neigte Polt den Kopf.
    „Aber es war das erste Mal seit langem, daß ich Antworten auf Fragen bekam. Na ja“, Paul Frieb erhob sich und machte ein paar rasche Schritte, „es kommt alles ein wenig spät. Aus mir wird bestimmt kein umgänglicher alter Herr, und Anatol und René werden Anarchisten bleiben, wenn auch vielleicht irgendwann mit gerundeten Kanten.“ Paul Frieb ging zur Bücherwand. „Ich habe in meinen letzten Berufsjahren ein Buch geschrieben, und ich möchte, daß Sie es bekommen.“ Er nahm einen Band aus dem Regal, trat an ein modernes Stehpult, griff zu Brille und Feder, signierte das Buch und überreichte es Polt. „Danke, Herr Inspektor.“
    Als der Gendarm das Haus verlassen hatte, blieb er kurz stehen und warf einen Blick auf den Titel. „Paul Frieb: Rationale Unternehmensführung im Lichte dynamischer Investitionsrechnungsverfahren.“ Und keine Karin Walter weit und breit, die Notiz davon nehmen könnte, was Simon Polt zur Zeit so las.
    Der Gendarm berichtete seinem Vorgesetzten, zeigte sein Buch her und fuhr dann zum Runhof. Er nahm nicht den kürzesten Weg, sondern folgte jener Strecke, die er gemeinsam mit Horst Breitwieser gewählt hatte, als sie spätabends auf der Suche nach dessen Frau gewesen waren. In der Burgheimer Kellergasse sah er kaum Menschen, oberhalb, im Hügelland zur Grenze hin, waren in weiter Entfernung zwei spielzeugkleine Traktoren zu erkennen, die sich ganz langsam bewegten. Maschinen hatten die vordem gesellige Arbeit auf dem Feld und im Weingarten einsam werden lassen. In den Traktorkabinen sorgten Kofferradios für lautstarken Zeitvertreib.
    Gegen Ende Juni war das Land schon üppig grün, die Holundersträucher und die Akazien standen in voller Blüte. Polt fuhr sehr langsam, hatte das Seitenfenster heruntergekurbelt und ließ sich vom warmen, duftenden Fahrtwind streicheln. Am Runhof angelangt, sah er das Tor offenstehen. Niemand schien diesmal sein Kommen erwartet zu haben. Es war sehr still, nur ein paar Grillen zirpten. Der riesige Innenhof war leer. Polt schaute durch die

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