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Polt - die Klassiker in einem Band

Polt - die Klassiker in einem Band

Titel: Polt - die Klassiker in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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Beobachter, und die Distanz läßt einen so manches schärfer sehen. Außerdem hat mich mein täglicher Spaziergang ja immer auch zum Kirchenwirt geführt. Irgendwann zählte ich dann wohl zum Inventar, und man ließ mich ungestört sitzen und zuhören.“
    „Kennen Sie eigentlich den alten Herrn Wehdorn im Zollhaus, den sie Professor nennen?“
    „Da fragen Sie mich noch? Ein hochinteressanter Mann. Aber wir hatten nie persönlichen Kontakt, schade eigentlich. – Jetzt habe ich Sie doch wirklich in meiner altersbedingten Schwatzhaftigkeit bis zum Runhof verschleppt, Inspektor.“
    „Das stört mich nicht. Kann ich auch gleich Ihrer Frau guten Tag sagen.“
    „Wie Sie meinen. Vielleicht haben wir sogar noch Kaffee im Haus.“ Breitwieser öffnete das Hoftor. „Kein Licht im Stall. Recht so. Dann hat sie wohl endlich aufgehört zu arbeiten und wird in der Küche sein.“
    Weil aber auch dort niemand anzutreffen war, gingen die beiden die Treppe hoch. Horst Breitwieser öffnete die Tür zum Arbeitszimmer. „Andrea, bist du hier?“ Als er keine Antwort hörte, betrat der alte Mann hastig den Raum. Er fand seine Frau reglos in einem der beiden Ohrenstühle vor dem Kamin. „Andrea, um Himmels willen, was ist los?“ Frau Breitwieser wachte auf und strich mit der Hand über die Stirn. „Was soll los sein? Ich habe geschlafen.“
    „Du kannst einem schon einen Schrecken einjagen. Sind die Tiere versorgt?“
    „Ja, natürlich.“
    „Haben wir vielleicht noch Kaffee? Ich meine, wenn Inspektor Polt schon da ist?“
    „Nein, ich fürchte nicht.“
    „Dann werden wir eben darben. Kommen Sie zur Sitzgruppe, Inspektor. Sie kennen Ihren Sessel ja schon. Setzt du dich zu uns, Andrea?“
    „Laß mich bitte, ich bin sehr müde.“
    Inspektor Polt schaute zum Fenster und sah, daß schon der Abend dämmerte. Dann wandte er sich Horst Breitwieser zu. „In den nächsten Wochen wird es zur Verhandlung kommen, was diesen Unfall mit Rudolf Riebl angeht.“
    „Damit ist zu rechnen.“
    „Ich möchte eigentlich einen Strich unter meine diesbezüglichen Ermittlungen ziehen.“
    „Das kann ich verstehen. Ich fürchte nur, daß von meiner Seite aus alles gesagt ist.“
    „Sie kennen die neueste Entwicklung noch nicht. Aber lassen wir das vorerst. Sie hatten an diesem Tag Ihren üblichen Spaziergang vernachlässigt, nicht wahr?“
    „Eine absolute Seltenheit in meinem regelmäßigen Leben. Ich war mit dem Auto unterwegs, aus einem denkbar unerfreulichen Anlaß übrigens. Ich hätte den Gutsherrn aufsuchen sollen, um über eine Stundung der Pacht zu verhandeln. Oder sagen wir besser: darum zu betteln. Es ist wirklich entwürdigend, Inspektor.“
    „Und vorher haben Sie sich beim Kirchenwirt Mut angetrunken, sehe ich das richtig?“
    „Nicht ganz. An Entschlossenheit fehlt es mir nicht. Ich wollte nur dieses schale Gefühl im Mund loswerden. Mit Armut kann ich leben, Inspektor, mit Hunger auch, aber nicht mit Erniedrigung.“
    „Also gut. Die Trunkenheit am Steuer kann Ihnen niemand abnehmen. Was die wirkliche Ursache des Unfalls betrifft, kommt zu Ihrer eingeschränkten Fahrtüchtigkeit und zum schlechten Zustand Ihres Autos aber noch etwas dazu. Es gibt einen Zeugen, der angibt, daß der Riebl nach Ihrem dreimaligen Hupen einen Blick auf Ihren Wagen warf und dann erst das Moped verrissen hat.“
    „Davon habe ich nichts bemerkt. Und was folgern Sie daraus, Inspektor?“
    „Erst einmal das Nächstliegende. Der Riebl Rudi hat in den letzten Jahren immer wieder Unfälle provoziert. Nehmen wir einmal an, daß er Sie beobachtet hat, wie Sie im Kirchenwirt getrunken haben. Sie hätten sich demnach als idealer Unfallgegner präsentiert.“
    „Ja, wenn Sie das so sehen.“ Der alte Mann schien erleichtert zu sein.
    „Natürlich war der Riebl ein gerissener Kerl, und er wußte, wer Sie sind, Herr Breitwieser.“
    „Ja, und?“
    „Das bedeutet, daß er auch Ihre wirtschaftliche Situation kannte. Viel war da für einen potentiellen Erpresser nicht herauszuholen.“
    „Da haben Sie natürlich recht. Ich werde die Sache auch so durchstehen.“
    „Ich bin noch nicht fertig. Wenn Sie also für den Riebl als Unfallgegner uninteressant waren, dann hat er sich nicht aus Berechnung vor Ihr Auto fallen lassen, sondern weil er tödlich erschrocken ist, als er Sie im Umdrehen erkannt hat.“
    „Bin ich denn so zum Fürchten?“
    „Sie haben den Riebl mit voller Absicht angefahren, nicht wahr?“
    Horst Breitwiesers Gesicht blieb

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