Polt - die Klassiker in einem Band
Willi ins Gras gesetzt, so um ihn herum, daß er nicht ausweichen hat können. Und dann haben wir ihm das Lied vom faulen Willi vorgesungen, immer lauter und lauter.“
„Und der Willi?“
„Der hat sich fast angeschissen vor Angst. Entschuldigung. Er ist dann aufgestanden und hat sogar einen von uns, den Robert, beiseitegestoßen. Natürlich den Schwächsten. Ja, und dann ist der Willi in den Weingarten von Herrn Gapmayr geflüchtet, und wir sind auf der Wiese geblieben, vorsichtshalber.“
„Und weiter?“
„Wie der Gapmayr den Willi gesehen hat, ist er fuchsteufelswild geworden, hat ihn angeschrien und ihm irgendwas nachgeschmissen. Der Willi ist wie wild losgerannt, direkt auf uns zu. In dem Moment ist mir die Ur-Überidee gekommen. Schnell einen Schritt vor und dem Willi ein Bein gestellt. Ich hab mir gewünscht, daß es ihn ordentlich aufs Gesicht haut.“
„Und?“
„Es hat nicht funktioniert. Der Willi ist nur gestolpert, hat versucht, sich zu erfangen, und dann ist er …“ Jetzt weinte Klaus wieder, aber nur ein paar Sekunden. Dann schaute er Polt fest ins Gesicht. „Also, ich war’s, Herr Inspektor.“
„Und der Gapmayr?“
„Der hat alles beobachtet gehabt. Ganz cool ist er zu uns gekommen und hat gesagt: Der ist hinüber, Burschen. Wir waren richtig fertig und haben kein Wort herausgebracht. Der Herr Gapmayr hat sich zu uns ins Gras gehockt und war eigentlich ganz nett, wie ein großer Freund. Wißt ihr was? hat er gesagt. Keiner von uns hat den Willi hinuntergestoßen, ist doch Tatsache. Also ist auch keiner schuld. Ihr wißt nichts von mir und ich weiß nichts von euch. Und mit der Gendarmerie werde ich schon alles regeln. Aber ihr müßt eisern schweigen können, Männer. Und wenn euch irgendwer nachschnüffelt, wehrt ihr euch eben. Großes Ehrenwort?“ Klaus starrte vor sich hin und schwieg.
„Wann war das?“
„Nachmittag, Herr Inspektor, keiner von uns hat auf die Uhr geschaut.“
„Nicht am Abend?“
„Nein. Zum toten Willi haben wir uns nicht hingetraut. Also sind wir sofort in die Wolkenburg und später dann hier herunter, ins Tiefenheim. Am Abend hat uns dann ein Jäger bei der Wildfütterung erwischt und uns mit dem Gewehr verjagt. Na, wir sind vielleicht gerannt!“
„Weiß ich.“ Polt seufzte. „Der Herr Gapmayr war übrigens im Unrecht. Er ist natürlich irgendwie schuld am Tod von Willi und ihr seid es auch. Das ist schlimm genug, auch wenn ihr bestimmt nicht ins Gefängnis müßt. Trotzdem ist es gar nicht so leicht, mit so etwas fertig zu werden. Aber die Karin Walter wird euch schon beistehen. Und mich gibt’s ja auch noch. So, und jetzt gehen wir zu den anderen hinauf.“
Als die vier Buben nach ihrem langen Aufenthalt im Keller ganz verwirrt ans Licht kamen, wurden sie aufgeregt von ihren Klassenkameraden umringt und befragt. Die vier schüttelten aber nur stumm die Köpfe und hielten sich abseits.
„Geht schon einmal voraus, alle miteinander.“ Karin Walter klopfte Klaus auf die Schulter. „Ich muß nur noch schnell mit dem Herrn Inspektor etwas besprechen.“
Als die letzten Kinder außer Sichtweite waren, schob Karin Walter den Gendarmen in Ignaz Reiters Preßhaus. „Hier, unter dem Grabkreuz, das paßt.“ Sie schlang beide Arme um Simon Polt und drückte ihn fest an sich. „He, du“, flüsterte sie in sein rechtes Ohr, „entschuldige bitte. Geht das?“ Simon Polt legte vorsichtig die Hände um ihre Hüften und war glücklich. Dann spürte er zu seinem Entsetzen, daß sich an ihm etwas versteifte.
„Mein Lieber“, sagte Karin. Nach einer andachtsvollen Weile löste sie sich von ihm. „Ich muß jetzt zu den Kindern. Und du, Simon?“
„Ich würde gerne Herrn Gapmayr erzählen hören.“
„Paß auf dich auf, du.“ Die Lehrerin warf ihm einen strengen Blick zu. „Gelogen hast du übrigens auch ganz tüchtig vorhin.“
„Wird nie wieder vorkommen. Großes Ehrenwort.“
Karin Walter lief den Kindern hinterher, und Polt blieb noch einige Zeit entrückt in Ignaz Reiters Preßhaus stehen. Dann blickte er zum Kaiserbildnis hoch, und der Kaiser blickte milde und majestätisch zurück. Der Gendarm trat ins Sonnenlicht, schloß die Preßhaustür und schob ein Stück Holz vor den Riegel. Dann folgte er dem Hohlweg, den sie heraufgekommen waren. Er ging zum Baumhaus, und nach einigen Versuchen gelang es ihm, die Strickleiter so hochzuwerfen, daß sie in die Türöffnung fiel. In der verlassenen Kellergasse nahm er den inzwischen welk
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