Polt - die Klassiker in einem Band
Zeichen.“
Harald Mank betrachtete mit Abscheu die Mayonnaisereste im Pappbecher. „Behalten wir die Sache eben im Auge, Simon. Ganz abgesehen davon: Diese Karin Walter! Da wär ich ganz gern wieder Schüler.“
„Klar.“ Simon Polt stand auf. „Mit einem Stammplatz auf der Eselsbank.“
Lageplan Burgheim, Brunndorf und Umgebung
Tags darauf, an einem dienstfreien Sonntagvormittag, schob der Gendarm sein schwarzes Waffenrad durch die ansteigende Burgheimer Kellergasse. Die Sonne stand noch nicht hoch am Himmel, aber sie hatte schon Kraft, und die Wände der Preßhäuser leuchteten blendend hell. Sehnsüchtig dachte Simon Polt an die Weinkeller darunter, wo es auch im Hochsommer sehr kühl blieb, so um die zwölf, dreizehn, höchstens vierzehn Grad.
Etwa auf halbem Weg zweigte eine schmale Kellergasse ab, die nur aus wenigen Preßhäusern bestand. Eines davon hatte irgendwann eine seltsame Verwandlung durchgemacht. Aus dem schlichten Gebäude mit klaren Konturen war durch zahlreiche Zubauten ein skurril anmutendes Häuschen geworden. Polt störte zwar jedes Preßhaus, das seinem Wesen entfremdet wurde, doch dieses Ergebnis ungehemmter Baulust, seit Jahren unbenutzt und dem Verfall preisgegeben, hatte etwas Rührendes in seiner sündhaften Unschuld. Die Unbestimmtheit der baulichen Erscheinung setzte sich übrigens bis in das Grundbuch fort, das keine faßbaren Eigentumsverhältnisse auswies. So hatte es im Dorf kaum Probleme damit gegeben, Franz Fürst hier wohnen zu lassen.
Der Gendarm brauchte den ehemaligen Lehrer nicht lange zu suchen. Er lag auf einem Wiesenstück, auf das der schüttere Schatten von Buschwerk fiel, und schlief. Polt setzte sich ins Gras, wischte den Schweiß von der Stirn und wartete. Der Schlafende trug alte Turnschuhe und Jeans. Der magere Oberkörper war nackt und tief gebräunt. Der Kopf lag auf dem rechten Arm, Strähnen der langen, braunen Haare mischten sich in die Grashalme. Als ihn eine Fliege im Gesicht kitzelte, wachte Franz Fürst auf, öffnete mit einiger Mühe die verquollenen Augen und erblickte seinen Besucher. „Simon Polt! Das freut mich aber wirklich! Entschuldigen Sie, daß ich geschlafen habe. Aber wer die Nacht zum Tag macht …“
„Kommt vor, nicht wahr?“
„Jaja. Bei mir sogar in schöner Regelmäßigkeit. Wollen Sie was trinken?“
„Nein danke, viel zu früh für mich!“
„Und ich halte mich an die profunde Säuferweisheit, daß man mit dem anfangen soll, womit man nächtens aufgehört hat.“ Er griff suchend ins Gras und fand ein sehr schmutziges Glas. „Die dazugehörige Flasche sollte eigentlich im Kühlschrank stehen.“
„Ein Kühlschrank, hier?“
„Ja, wir sitzen drauf.“ Franz Fürst zeigte auf ein Loch in der Wiese, an dessen Rand eine starke Schnur zu sehen war. Er zog daran und hatte bald darauf eine halbgeleerte Weinflasche ans Licht gehievt. „Dieses Dunstloch erspart mir den Weg in den Keller. Auf Ihr Wohl, Herr Inspektor!“
Franz Fürst trank ohne Hast, mit sichtlichem Genuß. „Ein Veltliner vom Sepp Räuschl. Aus meiner guten Zeit hab ich auch noch ein paar noblere Flaschen im Keller. Aber die passen nicht mehr zu mir.“
Polt wußte nicht recht, wie er anfangen sollte. Dann entschloß er sich dazu, die Dinge beim Namen zu nennen. „Schade, daß Sie nicht mehr an der Schule sind.“
„Ja, schade.“ Franz Fürst schüttete den Rest Wein im Glas auf die Wiese. „Aber ich war am Ende kein guter Lehrer mehr. Und Kinder brauchen gute Lehrer, ganz gute.“
„Ja, und jetzt?“
„Ich gebe mir derzeit Nachhilfe in Selbsterkenntnis, vor allem, was mein Trinkverhalten betrifft, ich meine, die Sauferei.“
„Sie werden doch nicht aufhören wollen damit?“
„Nur das nicht! Ganz im Gegenteil, ich arbeite hart an einer Steigerung. Gar nicht so sehr, was die Menge angeht. Da bin ich ziemlich an der Grenze. Es geht um etwas anderes. Aber wie erklär ich das einem braven Gendarmen. Na, vielleicht so. Nehmen wir einmal in aller Unschuld etwas Kreatürliches: Essen, zum Beispiel. Ein recht banaler Lustgewinn, ganz gleich ob er derb, genießerisch oder gekünstelt daherkommt. Am Ende bist du satt und faul und langsam im Kopf. Später aber kommt so dann eine kleine, unbeschwerte, magische Zeit. Da bist du weder satt noch hungrig, und der Kopf ist frei für geniale Spinnereien. Daß dieser Triumph des Stoffwechsels letztlich im Klo endet, macht nichts. Erzieht zur Bescheidenheit.“
Polt nickte. „Ich gebe mir Mühe, Ihnen
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