Polt - die Klassiker in einem Band
geärgert?“
„Nicht mehr als sonst. Er tut halt, was er glaubt, tun zu müssen. Hast du nichts Süßes im Haus?“
„Eigentlich nicht … oder doch: Quittengelee von der Karin Walter.“
„Her damit, ich hab Trost nötig.“
Polt gönnte Harald Mank diesen sehr privaten Genuß eigentlich nicht, stellte aber doch ein Tellerchen mit einer kleinen Portion vor ihn hin.
„Schaut seltsam aus.“ Mank kostete. „Hartgummi mit Zitronensäure. Na, das muß eine Liebe sein.“
„Du weißt nicht, was gut ist.“
„Sagt meine Frau auch immer. Du, Simon, das bleibt jetzt unter uns: Ich geh weg, schon bald, Anfang nächsten Jahres.“
„Gibt es nicht!“
„Gibt es doch. Du kriegst einen neuen Dienststellenleiter, ich weiß auch schon wen. Einen jungen, nicht aus unserer Gegend. Er hat telefoniert mit mir, heute morgen. Von dem Vorfall im Fürnkranz-Preßhaus hat er schon gewußt, und auch davon, daß du bei der Eisweinlese mitgeholfen hast.“
„Ja und?“
„Das ist wieder einmal typisch für die ungesunde Verstrickung von Dorfleben und Polizeiarbeit, hat er gesagt. Damit wird er aufräumen, gründlich auch noch.“
„So, wird er.“
„Mir kann’s ja egal sein, Simon. Mich hat man weggelobt, nach Breitenfeld, Bezirksposten. Den Streß dort kannst du dir vorstellen, bei den Rationalisierungsmaßnahmen heutzutage.“
„Und du hast dich nicht wehren können?“
„Nicht wirklich. Und dann noch meine Frau! Endlich sind wir wer im gesellschaftlichen Leben einer richtigen Stadt, hat sie gesagt. Weiber sind doch wirklich das Letzte.“
Polt konnte dem nicht zustimmen, andererseits verstand er den Kummer seines Vorgesetzten und schwieg. Czernohorsky hatte sich indes der Uniformjacke Manks angenommen, war in einen der Ärmel geschlüpft und bewegte sich als eine Art textiles Ungeheuer durchs Zimmer. Mank warf ihm einen gleichgültigen Blick zu. „Der Fürnkranz kann einem leid tun“, sagte er dann.
Polt nahm einen Bissen vom Topfenbrot, kaute lange und unfroh, bevor er schluckte. „Schon. Aber andererseits werd ich nicht klug aus ihm.“
„Ein tapferer Mensch jedenfalls, Simon. Manch einer wär vor die Hunde gegangen, ohne Frau, mit einem Buben, der nicht mithilft. Und was tut der Fürnkranz? Macht jede verfügbare Schulung, läßt keine Gelegenheit aus, von anderen zu lernen. Heute ist er verdienterweise einer der erfolgreichsten Weinbauern der Region. Aber er versteht nicht nur was vom Wein. Dieser Mensch liest Bücher, besucht Seminare zu allen möglichen Themen. Der Fürnkranz Karl lebt mit zweihundert Prozent, mein Lieber.“
„Weil er sonst womöglich nachdenken müßte über sich.“
„Kannst recht haben. Aber ungut ist er deshalb nie geworden. Hat die Nase nicht oben, ist hilfsbereit, läßt andere gelten.“
„Fast schon verdächtig, wie?“
„Sag einmal, Simon: Hast du was gegen ihn?“
„Nein. Ganz bestimmt nicht. Aber heute früh hab ich den Eindruck gehabt, daß er irgendein Spiel mit mir treibt, von dem er ganz genau weiß, daß ich nicht schlau genug dafür bin.“
„So ist er halt. War er immer schon. Ich glaub, er gibt sich sogar selber Rätsel auf.“
„Seltsamer Kerl.“
„Ja, schon.“
„Und wie ist das mit dem Martin? Ich meine, sieben Generationen Weinbauern in der Familie, und dann will der Bub einfach nicht …“
„So ein Problem hat bei uns nicht nur der Fürnkranz. Aber was man so hört, gibt’s keinen ernsthaften Konflikt zwischen Vater und Sohn. Resignation auf der einen und Trotz auf der anderen Seite halt.“
„Auch nicht das Wahre. Aber jetzt diese Sache mit dem Toten in der Weinpresse. Schlimmer hätt’s den Fürnkranz wohl nicht treffen können. Und es ist auch noch sinnlos: Wer tut so was, in Dreiteufelsnamen, und wo ist das Motiv?“
„Das darfst dann deinen neuen Vorgesetzten fragen, Simon.“
„Rutsch mir den Buckel runter. Frech wirst nicht in meiner Küche, auch nicht als Vorgesetzter.“
Mank grinste und griff versöhnlich nach dem letzten Stück Quittengelee. Er schaute zur Tür hin. „Da kommt wer!“
Polt stand auf, öffnete und sah Landesgendarmerieinspektor Kratky vor sich. „Was machen denn Sie da?“
„Arbeiten, Herr Kollege, im Gegensatz zu Ihnen! Darf ich?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, trat Kratky ein, nahm Platz und legte ein dickes Kuvert vor sich auf den Tisch. „Noch Kaffee da?“
Wortlos füllte Polt eine Tasse und stellte sie ihm hin. Kratky nahm einen Schluck. „Lauwarm, das Zeug. Na ja. Und Sie,
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