Polt - die Klassiker in einem Band
verkroch er sich in seiner Weingartenhütte, weil er krank war, oder weil er Angst hatte, aus welchen Gründen auch immer.
Polt ging nach Hause und holte sein Fahrrad, weil es ihm irgendwie passender schien als der Dienstwagen. In der Brunndorfer Kellergasse angekommen, lehnte der Gendarm das Fahrrad an den Nußbaum vor Karl Brunners Keller, nahm eine mitgebrachte Flasche vom Gepäckträger und ging zu Fuß weiter. Gut dreihundert Meter führte sein Weg die Reihen kahler Weinstöcke entlang. Der letzte Regen hatte den Boden stark durchnäßt, und der fette Löß glänzte tiefschwarz. Die Schuhe sanken Schritt für Schritt ein und lösten sich nur widerwillig. Polt nahm das gar nicht wahr. Er sah, wie sich im diffusen Grau die winzigkleine Hütte allmählich deutlicher abzeichnete, und dachte darüber nach, was ihn erwarten würde. Als er am Ziel war, klopfte er gegen das nasse, rissige Holz der Tür, die zwar kein Schloß hatte, wohl aber von innen verriegelt war.
Er klopfte wieder und legte sein Ohr an das Holz: kein Geräusch. Polt bekam Angst und klopfte, so laut er konnte. Wieder nichts. Dann trat er etwas zurück und stieß kräftig mit der Schulter gegen die dünnen Bretter. Er hörte ein kurzes Knirschen und die Tür sprang auf. Schnell trat er ein und sah auf einem Stapel von Matratzen ein schmutziges Bündel liegen. Zuerst schien es reglos, doch dann bewegte sich das Bündel. Bartl hob den Kopf und sagte: „Halleluja.“
„Ist alles in Ordnung?“ fragte Polt rasch.
„In Ordnung? Im Himmel ist nichts in Ordnung. Da singen die Engel.“ Bartl hatte sich aufgesetzt. Sein graues Gesicht war stoppelbärtig, die Augen waren dunkelrot, aber von einer kindlichen Heiterkeit erfüllt.
„Ob der Herr Hahn wohl auch mitsingt?“ Der Gendarm trat langsam näher.
„Oh nein!“ Bartl hob belehrend einen unglaublich schmutzigen Zeigefinger: „Der gibt den Takt an, und gibt den Takt an, und gibt den Takt an.“
Polt sagte vorerst nichts und schaute sich um. Außer dem Matratzenstapel gab es kein bemerkenswertes Möbelstück in Bartls Behausung. Die Wände waren mit Zeitungspapier tapeziert, und zwar ausschließlich mit jenen Seiten, auf denen ein halbnacktes Mädchen mit leerem Blick und großen Brüsten zu sehen war. Da war auch ein kleines Regalbrett, auf dem ein schmieriges Weinglas und ein verbeulter Aluminiumbecher standen. Ein leichter Geruch von Fäulnis, Schweiß und Urin hing in der Luft.
Allmählich gewöhnten sich Polts Augen an die Dunkelheit und er sah in einer Ecke neben dem Bett einen alten Radioapparat stehen. „Wie funktioniert denn der, ohne Strom?“ fragte er und trat darauf zu.
„Nur ganz leise“, flüsterte Bartl.
„Hast du Hunger, Bruno? Soll ich was holen?“
Bartl schüttelte wortlos den Kopf.
„Oder Durst?“ Polt zeigte seine Weinflasche her. Im nächsten Augenblick wurde sie ihm aus der Hand gerissen.
Hastig suchte Bartl unter den Matratzen, holte einen Korkenzieher hervor, öffnete die Flasche, hob sie zum Mund und setzte sie erst nach einer guten Weile ab. Er atmete tief, schüttelte den Kopf, fuhr sich über die Augen, und sein Gesicht bekam allmählich jenen Ausdruck, der Polt vertraut war. Dann war Erstaunen darin zu lesen. „Was tun denn Sie hier, Herr Inspektor?“
„Ich hätte dich gerne etwas gefragt.“
„Und wenn ich keine Antwort weiß?“
„Kann ich auch nichts machen. Ist ja nicht gar so wichtig. Wie war es denn so, wenn du bei dem Herrn Hahn warst?“
„War ich dort?“ fragte Bartl nachdenklich.
„Freilich. Ganze Nächte lang. Man hat dich geholt und heimgebracht, nicht wahr?“
Bartl tat einen tiefen Schluck. „Ich war als Gast gebeten“, sagte er mit gespreizter Förmlichkeit.
„Und dann?“
„Dann habe ich meine gelben Kühe tanzen lassen, von meinen Feuerhunden habe ich erzählt, die kleine Kinder und Jungfrauen fressen, und von den nackten Elfen im Aluminiumhäferl.“
„Und man hat dir zu trinken gegeben?“
„Zu trinken? Immer und immer wieder, bis ich endlos gefallen bin, bis in den Himmel mit den feuerspeienden Engeln und dem lieben Gott mit der meterlangen Zunge, die der heilige Geist ist.“
„Und die anderen?“
„Die haben gelacht. Und wie sie gelacht haben.“ Bartl ahmte ein wieherndes Gelächter nach, das immer lauter wurde, bis plötzlich Tränen über seine Backen rannen und helle Spuren in den Grind zogen. Dann wurde aus dem Gelächter ein grelles Schluchzen.
Polt lief es kalt über den Rücken. „Laß gut
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