Polt - die Klassiker in einem Band
sehen wir uns einmal, in der Kellergasse?“
„Das glaube ich nicht“, brummte der Schachinger. „Wenn Sie kommen, schau ich nämlich weg.“
Polt geht zur Schule
Gendarmerieinspektor Polt hatte schon immer großen Respekt vor der Würde eines Bürgermeisters gehabt. Als Kind waren ihm diese aller Gewöhnlichkeit entrückten Männer, die nicht einfach redeten, sondern Reden hielten, als Repräsentanten höherer Mächte erschienen, ähnlich wie Pfarrer, doch gewichtiger. Auch später, als der Götterglaube einer gewissen Ernüchterung wich, war Polt davon überzeugt, daß ein vordem alltäglicher Mensch durchaus dazu imstande war, mit der Größe des ihm verliehenen Amtes zu wachsen. Er reagierte demnach ausgesprochen höflich, als Herr Gregor Mantler, der Bürgermeister von Burgheim, in seiner Dienststelle anrief und liebenswürdig anfragte, ob Herr Inspektor Polt möglicherweise irgendwann für eine kurze, formlose Unterredung im Amtshaus Zeit fände.
Ein paar Stunden später wurde der Gendarm von der Gemeindesekretärin freundlich ins Büro des Ortsoberhauptes gebeten, und er ärgerte sich ein wenig darüber, daß er doch tatsächlich Herzklopfen hatte.
„Mein lieber Herr Gruppeninspektor, nehmen Sie doch Platz!“ Der Bürgermeister wies auf eine behagliche Sitzgruppe. „Kaffee? Mineralwasser?“ Er lächelte schalkhaft. „Oder gar ein Glas Wein?“
„Kaffee, bitte.“
„Also, wie fange ich an … Wir sind hier unter uns, ich darf doch offen reden?“
Polt fühlte sich geschmeichelt und nickte nur. „Als guter Gendarm wissen Sie vielleicht, daß zwischen mir und dem Ortsvorstand von Brunndorf – nun ja – gewisse Meinungsunterschiede bestehen.“
Polt war natürlich bekannt, daß die beiden ehemaligen Schulfreunde seit vielen Jahren einander als unversöhnliche Rivalen das Leben schwermachten. Er begnügte sich also mit einer vagen Handbewegung und war weiter ganz Ohr.
„Sie würden es nicht glauben, mein Lieber, aber vor wenigen Tagen hat mir mein geschätzter Amtskollege einen Besuch abgestattet.“
Der Gendarm hob überrascht den Kopf. „In welcher Angelegenheit?“
„Können Sie sich das nicht denken?“
„Albert Hahn womöglich?“
„Bravo. Ja, eines möchte ich noch vorausschicken: Ich bewundere ohne Einschränkung Ihre Aufklärungsarbeit. Mein Gott, wenn ich daran denke, wie dieser Florian Swoboda uns alle aufs Eis geführt hat mit seinem großartigen Getue. Ich war selbst einmal zu einer Weinkost in sein Preßhaus eingeladen, und ich muß noch heute sagen: Es waren schon ein paar wirklich rare Tropfen darunter. Sei’s drum. Ich bin auch ehrlich erleichtert darüber, daß mit dem Herrn Hahn auch der Plan gestorben ist, die Brunndorfer Kellergasse in ein Freizeitresort zu verwandeln – nun ja, das hätte mein verehrter Amtskollege zu verantworten gehabt. Sie ermitteln nach wie vor wegen Mordes, nicht wahr?“
Inspektor Polt wurde hellhörig. „Ja, wir brauchen Klarheit.“
„Gibt es denn irgendeinen handfesten Beweis für Ihren Verdacht? Sie entschuldigen bitte, wenn ich so offen frage, und Sie müssen mir auch keine Antwort geben.“
„Warum nicht? Es gibt eine Menge Indizien dafür, daß es kein Unfall war. Einen Sachbeweis haben wir aber nicht.“
„Und auch keinen Verdächtigen, der mehr als alle anderen in Betracht kommt?“
„Für Inspektor Kratky ist das Herr Swoboda. Für mich eigentlich nicht.“
Der Bürgermeister lehnte sich zurück und seufzte. „Sehen Sie, mein lieber Herr Inspektor, genau da liegt für mich das Problem. Seit Wochen setzen Sie und andere mit Ihrem Verdacht eine ganze Gruppe von Menschen schrecklich unter Druck. Sie verzeihen, wenn ich in diesem Punkt als Bürgermeister denke und nicht als Gendarm. So eigenartig das klingt, ich kann in dieser Angelegenheit meinen Brunndorfer Amtskollegen ausnahmsweise irgendwie verstehen.“
Polt spürte Hitze in sich aufsteigen. „Was sagt er?“
„Ich darf es wörtlich wiedergeben, ohne Sie zu kränken?“
„Natürlich!“
„Ich möchte wissen, ob ein Gendarm das Recht hat, aus Ehrgeiz und Eitelkeit Unfrieden und unerträgliche Spannung in eine friedliche Dorfgemeinschaft zu tragen.“
Polt spürte, wie sein Gesicht glühte. „Also, das ist so“, begann er unbeholfen. „Ehrgeiz trifft schon irgendwie zu. Wenn es einen Schuldigen gibt, muß ich meinen Teil dazu beitragen, ihn zu finden. Sonst hätte ich den falschen Beruf.“
„Und wenn es keinen Schuldigen gibt?“
„Dann
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