Polt - die Klassiker in einem Band
Würze.“
Polt schluckte, nickte und fühlte sich unglaublich wohl.
Nachdem sie gegessen hatten, faßte Karin ihren Gast freundlich, aber mit einer gewissen Strenge ins Auge. „Deine plumpe Süßwein-Attacke habe ich abgewehrt. Und was jetzt?“
Polt seufzte. „Ach weißt du, der Willi. Er wäre nie von sich aus zu nahe an den Lößabsturz gegangen. Irgend etwas oder irgend jemand hat dabei mitgespielt. Aber Feinde gab es doch keine, er war den Leuten einfach gleichgültig, schlimmstenfalls einmal lästig.“
„Das weißt du wohl besser als ich. Aber ich könnte mir schon vorstellen, daß man ihn verspottet hat, im Wirtshaus, zum Beispiel.“
„Da ist er nicht hineingegangen. Wie denn auch, ohne einen Groschen Geld in der Tasche.“
„Und dieser Gapmayr, dem die Riede todter Hengst gehört? War der vielleicht mit dem Willi übers Kreuz, weil er ihn nicht auf der Wiese haben wollte?“
„Er sagt nein, die Wiese kümmere ihn nicht. Eine ironische Bemerkung ist dann schon noch gefallen. Aber so etwas kannst du von allen Bauern hier im Tal haben, sogar vom Kurzbacher.“
„Hmm – nein. Das wüßte ich.“
„Wovon redest du?“
„Ich habe an Kinder gedacht. Aber die haben eher Angst vor solchen Leuten.“
„Alle Kinder?“
„Na, so richtige Rabauken natürlich nicht. Die könnten schon auf die Idee kommen, mit so einem ihren Spaß zu treiben. Aber wie gesagt – ich würde es wahrscheinlich wissen, als ihre Lehrerin. Etwas anderes: Vielleicht fehlt das Motiv, weil es gar nicht notwendig ist?“
Polt schabte mit der Hand am Kinn und dachte daran, daß er sich abends rasieren hätte sollen. „Du meinst so freundliche Zeitgenossen wie diese Frieb-Brüder, Anatol und René, nicht wahr?“
„Zum Beispiel. Sinnlose Gewalt ist ja nichts Ungewöhnliches heutzutage.“
„Ja, schon. Aber solche Gestalten wären dort oben vom Gapmayr gesehen worden, und die hätten ihn bestimmt gestört.“ Polt schwieg und dachte an das kleine Wiesenstück. Gedankenverloren summte er die Melodie, die er von Willi gehört hatte.
„Du summst falsch.“ Plötzlich machte Karin große Augen. „Ich bin der faule Willi!“
„Was?“
„Der Text zur Melodie. Dieser unsägliche Zeichentrickfilm, die Biene Maja …“
„Ich habe keinen Fernseher zu Hause. Aber, in Dreiteufelsnamen, du hast recht!“
„Fragt sich nur, wo der Willi die Melodie herhat.“
„Da muß ich mit Frau Raab reden. Entweder hat er sich diesen Film angeschaut, oder …“
„… er hat das Lied von Kindern, die ihn damit verspottet haben.“ Karin Walter schaute unglücklich. „Jemanden verspotten und am Tod eines Menschen schuldig oder mitschuldig sein, sind allerdings zwei Paar Schuhe.“
„Natürlich.“
„Und wir kommen beide in des Teufels Küche, wenn wir Kinder auf eine bloße Vermutung hin in so eine fürchterliche Sache hineinziehen.“
„Wem sagst du das. Von hineinziehen kann auch gar keine Rede sein. Im Gegenteil. Gefällt mir überhaupt nicht, das Ganze. Aber einfach beide Augen zudrücken ist auch keine Lösung.“
„Simon Polt!“ Karin war aufgestanden und räumte unwillig das Eßgeschirr ins Abwaschbecken. „Ich verspreche dir etwas, und du versprichst mir etwas.“
„Laß hören.“
„Gut. Ich werde mir meine Schulkinder unauffällig vornehmen. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber wenn ich irgend etwas finden sollte, was für dich wichtig sein könnte, sag ich es dir.“
„Und mein Versprechen?“
„Was immer herauskommt: Nur wir zwei wissen vorerst davon. Und du unternimmst nichts, ohne daß wir vorher darüber geredet haben.“
„Ich hoffe ja, daß überhaupt nichts herauskommt.“
„Das war keine Antwort, Simon.“
„Also gut. Karin und Simon, Privatdetektei auf Biegen und Brechen.“
„Stell dir das nur nicht so lustig vor.“
Polt trat auf Karin Walter zu und nahm sie vorsichtig an den Oberarmen. „Tu ich ja nicht.“ Nach einer Weile ließ er seine Hände unschlüssig sinken. „Ja dann …“
„Ja dann.“ Karin schubste Polt zur Tür. „Sieh zu, daß du nach Hause kommst. Gendarmen in deinem Alter brauchen den Schlaf vor Mitternacht.“
Das Niemandskind
Czernohorsky, Simon Polts wohlbeleibter Kater, nahm den Frühling auf seine Weise wahr. Erst einmal verlor er das Winterfell. Es regnete rote Haare, sehr zum Mißfallen der alten Erna, die dafür sorgte, daß Polts Männerhaushalt auch weiblichen Ansprüchen so halbwegs genügte. Von Zeit zu Zeit gab Czernohorsky aber auch
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