Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
Vom Netzwerk:
daß Sie offen zu mir sind«, sagte er dann.
    »Offen? Wie man es nimmt.« Grete Hahn lächelte andeutungsweise. »Aber wir sehen einander ja wieder, nehme ich an.«
     
    Barth Nächte
     
    »Besiegeln wir also unsere vorläufige Niederlage.« Landesgendarmerieinspektor Kratky warf seinen Notizblock auf den Schreibtisch. »Entschuldigen Sie, mein Lieber«, sagte er dann zu Simon Polt, der unwillkürlich zusammengezuckt war. »Das war ein Temperamentsausbruch. Habe ich so alle zwei, drei Jahre. Aber im Ernst: Wenn uns nicht Herr Swoboda mit seiner seltsamen Ziegelmauer weiterbringt, können wir erst einmal einpacken.«
    »Na ja…«, Polt blätterte in seinem Notizheft. »Die Sache hat schon Gestalt angenommen in den letzten zwei Tagen.«
    »Von wegen Gestalt.« Kratky entfaltete ein sauberes Stofftaschentuch, diesmal ein weißes, betrachtete es übellaunig und faltete es wieder zusammen. »So ziemlich alle Verdächtigen waren in der fraglichen Zeit vor dem Tod Hahns in der Kellergasse. Die Herren Kurzbacher, Brunner und Schachinger, angeblich auch Swoboda und der Architekt. Mike Hackls berittene Bande war auch zugegen, wie wir gehört haben, um Albert Hahn das übliche Geleit zu geben, sobald er sich auf den Heimweg machte. Und von ein paar unbekannten Tschechen, die sich herumgetrieben haben sollen, wird natürlich auch getuschelt. Aber sonst? Keine neuen Spuren, keine Widersprüche. Und für den famosen Zettel an der Tür gibt es inzwischen auch eine ziemlich banale Erklärung.«
    Polt nickte. »Ich meine ja auch, daß die eigenartige Beziehung zwischen Hahn, Swoboda und Pahlen im Augenblick am ergiebigsten ist.«
    »Na bestens.« Kratky erhob sich schwungvoll. »Das war mein Stichwort. Ich habe hier vorerst nichts mehr verloren. Sie, lieber Kollege Polt, sind nicht auf den Kopf gefallen und haben ein gutes Gespür für die Leute hier heraußen. Tun Sie einstweilen, was Sie für richtig halten, und ich werde in Wien auf den Spuren der zwei merkwürdigen Weinfreunde wandeln. Ich rufe Sie an, sobald sich etwas Neues ergeben hat.«
    Polt war noch damit beschäftigt, das unerwartete Lob zu verdauen, und sagte nur: »Wie Sie meinen.«
    Kaum war Kratky gegangen, fühlte sich der Gendarm freier. Er öffnete das Bürofenster und genoß die feuchtkalte Herbstluft. Er mochte diese Jahreszeit, in der Nebel die harten Konturen auflöste und die Männerwelt in den Kellern behaglich aufleuchtete. Aber mit dem Behagen würde es wohl in nächster Zeit nichts werden.
    Er drehte sich um, als er Schritte hörte. Harald Mank war ins Zimmer getreten. »Mein lieber Herr Gruppeninspektor«, sagte er heiter, »ab sofort sind deine Ausflüge in die Kellergassen also dienstlich.«
    »Und ausgerechnet jetzt habe ich absolut keine Freude mehr daran.« Polt seufzte. »Einverstanden, wenn ich versuche, den Bruno Bartl zu finden? Der fehlt ja noch auf unserer Liste.«
    »Geht in Ordnung.«
    Jetzt erst fiel Polt auf, daß sich der arbeitsscheue Sonderling schon seit Tagen nicht mehr hatte blicken lassen. Vielleicht verkroch er sich in seiner Weingartenhütte, weil er krank war oder weil er Angst hatte, aus welchen Gründen auch immer.
    Polt ging nach Hause und holte sein Fahrrad, weil es ihm irgendwie passender schien als der Dienstwagen. In der Brunndorfer Kellergasse angekommen, lehnte der Gendarm das Fahrrad an den Nußbaum vor Karl Brunners Keller, nahm eine mitgebrachte Flasche vom Gepäckträger und ging zu Fuß weiter. Gut dreihundert Meter führte sein Weg die Reihen kahler Weinstöcke entlang. Der letzte Regen hatte den Boden stark durchnäßt, und der fette Löß glänzte tiefschwarz. Die Schuhe sanken Schritt für Schritt ein und lösten sich nur widerwillig. Polt nahm das gar nicht wahr. Er sah, wie sich im diffusen Grau die winzigkleine Hütte allmählich deutlicher abzeichnete, und dachte darüber nach, was ihn erwarten würde. Als er am Ziel war, klopfte er gegen das nasse, rissige Holz der Tür, die zwar kein Schloß hatte, wohl aber von innen verriegelt war.
    Er klopfte wieder und legte sein Ohr an das Holz: kein Geräusch. Polt bekam Angst und klopfte, so laut er konnte. Wieder nichts. Dann trat er etwas zurück und stieß kräftig mit der Schulter gegen die dünnen Bretter. Er hörte ein kurzes Knirschen, und die Tür sprang auf. Schnell trat er ein und sah auf einem Stapel von Matratzen ein schmutziges Bündel liegen. Zuerst schien es reglos, doch dann bewegte sich das Bündel. Bartl hob den Kopf und sagte:
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher