Polt.
eigentlich ganz glücklich und zufrieden in der gewohnten Höhle. Hab ich recht?«
»Ja, schon irgendwie.«
»Ist doch ideal! Lustvolle Besuche, wann immer es passt, und zwischendurch geht ihr euch nicht auf die Nerven. Und wenn es einmal woanders sein soll - dann ist bei mir auch noch Platz. Entschuldigung, ich glaub, ich sollt weiterkochen.« Sie ging zum Herd. »Jetzt kommt Weißwein dazu, lieber Herr Polt, Kräuter geb ich hinein, Paprika, Zucker… So. Salzen. Pfeffern, Faschiertes dazu. Riecht schon gut, was? Blöde Sache, das mit dem Toten im Weingarten… Wie geht’s denn der Birgit und dem Norbert?«
»Nicht gut, glaub ich. Tapfer sind s’ beide. Aber so lange die Ermittlungen laufen und alles offen ist, wird halt viel geredet, und der Norbert wird es in der Dienststelle auch nicht grad leicht haben.«
»Und die Birgit nicht mit ihm. Ehemänner mit Problemen machen gewöhnlich Probleme. - Jetzt geb ich alles mit Butter und Rahm in eine Auflaufform, Erdäpfelpüree oben drauf, und Käse auch noch, zum Überbacken. Damit er mir nicht hungrig bleibt, der werdende Vater.«
»Und?« Frau Hahn räumte das Geschirr ab.
»Viel zu viel, aber viel zu gut, um was übrig zu lassen, Frau Hahn! Also, ich wird verwöhnt in letzter Zeitkürzlich der Schweinsbraten von der Birgit und heute …«
»Wie kocht denn Ihre Karin so?«
Polt dachte nach. »Gern kocht sie.«
»Ja, und wie noch?«
»Anders halt. Übrigens, Frau Hahn, heute war das Foto von dem Toten in der Zeitung. Haben Sie’s gesehen?«
»Nein. Hab ich was versäumt?«
Polt griff in die Tasche. »Das ist er.«
Grete Hahn schaute, stutzte und ließ das Foto sinken.
Polt sah Tränen in ihren Augen. »Mein Gott, was ist?«
»Nichts ist. Es war was. Und gehen Sie dann bitte, Herr Polt.«
Der Besuch der alten Dame
Polt wusste nicht so recht, was er mit sich anfangen sollte an diesem unerwartet freien Nachmittag. Aus alter Gewohnheit näherte er sich gemächlich der Brunndorfer Kellergasse und dachte dabei an Grete Hahn. Über Jahre hinweg hatte diese Frau eine Ehe erdulden müssen, in der Gewalt und Erniedrigung zum Alltag gehörten. An die fünfzehn Jahre war es her, dass ihr Polt die Nachricht vom Tod ihres Mannes überbringen musste. Er hatte sich damals nicht vorstellen können, dass Frau Hahn jemals wieder ein normales Leben führen würde. Gut, so richtig normal im dörflichen Sinne war es ohnehin nicht: Sie blieb offenbar gerne allein, und jene Annehmlichkeiten, die Männer ja doch zu bieten hatten, nahm sie bei Bedarf mit Freuden und unverbindlich entgegen.
In der Kellergasse angekommen, bemerkte Simon Polt überrascht, dass Friedrich Kurzbachers olivgrüner Opel vor dem Presshaus stand. Die Tür war halb offen. Er betrat das ihm wohlbekannte Gebäude, fand es leer vor und sah dann durch die geöffnete Kellertür den Kurzbacher zwischen seinen Fässern stehen. Polt hatte den Eindruck, als sei sein Freund in letzter Zeit noch hagerer geworden, fast dürr. Ein wenig verloren stand er da, wie einer, der nachdenkt, aber vergessen hat, worüber er nachdenkt. Polt stieg die Stufen hinunter. »Friedrich! Schön, dass du hier bist!«
»Zufall, Simon. Kellerarbeit. Trinken wir was?« Ohne eine Antwort abzuwarten, griff Friedrich Kurzbacher nach einer Flasche und ging auf die Kellerstiege zu. Polt folgte ihm.
Als die Männer dann oben im Presshaus saßen, die gefüllten Gläser vor sich, war für Simon Polt die Welt wieder einmal in Ordnung. Hier war er so gut wie zu Hause: die große Baumpresse, die schäbige Küchenkredenz, Bottiche, der kleine Tisch mit dem karierten Wachstuch, kühles Halbdunkel, Licht, das durch die offene Tür und die kleinen Fensterluken nach innen drang.
Kurzbacher hob sein Glas. »Du kennst ihn, Simon. Den haben wir im Kirchenwirt gekostet.« Beide tranken. Polt neigte den Kopf. »Eigenartig ist das schon: Hier im Presshaus schmeckt er mir noch besser. Ich sag dir was, Friedrich: Ohne deinen Grünen tat mir was fehlen auf der Welt.«
»Wird bald einmal so sein.«
»Was sagst du da?«
»Ich füll nicht mehr ein, nächstes Jahr. Irgendwann ist Schluss. Verkauf ich halt die Trauben, oder gleich die Weingärten.«
»Keine gute Neuigkeit, Friedrich aber deine Sache, da hab ich nichts dreinzureden. Und das Presshaus und der Keller?«
»Behalt ich mir, damit ich nicht nur im Haus vor dem Fernseher sitzen muss. Das Fassgeschirr nimmt mir keiner ab - also hab ich’s dem Dorfverschönerungsverein geschenkt. Die stellen
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