Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polt.

Polt.

Titel: Polt. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
Vom Netzwerk:
Umstand verfluchen, dass es mir nicht gegönnt ist, mich zu betrinken. Leben Sie wohl, Herr Polt.«
     
    Wiedersehen
     
    Simon Polt hatte Kaffee gekocht, einen, der seinen Namen verdiente im Gegensatz zu Frau Habesams wässriger Ersatzlösung. Daneben lagen ein Butterbrot von respektablen Ausmaßen, ein Stück Selchfleisch, das vom Abendessen übrig war, und das Illustrierte Heimatblatt. Ah ja, seit geraumer Zeit fand der Redakteur Gefallen an tickenden Zeitbomben. Überall im Lande tickte es seitdem: im Breitenfelder Stadtrat, in den Schlaglöchern eines sanierungsbedürftigen Zufahrtsweges, im Kopf eines rebellischen Landespolitikers oder auch in den Büchern jenes Sparvereins, der nach einem erotisch aufgeladenen Konflikt zwischen zwei Funktionärinnen mit panikartigen Geldentnahmen der Mitglieder zu kämpfen hatte. Diesmal tickte die bekanntermaßen baufällige Friedhofsmauer in Breitenfeld. Und dann Kids, überall Kids: Kids, Teig knetend beim Ausflug in die Pizza-Bäckerei, Kids, andachtstanzend beim Pfarrkränzchen, und Kids, singend beim Frühjahrskonzert in der Grenzlandhalle. Kein Wunder, dass es Karin Walter an Kindern für ihre Schule fehlte. Feuerwehrleute hatten ein paar kleinere Brände bekämpft, doch immer öfter waren sie damit beschäftigt, die grausigen Reste von Verkehrsunfällen zu beseitigen. Das Leben hatte an Tempo gewonnen, auch in dieser ruhigen Ecke Österreichs, doch keineswegs an Qualität, argwöhnte Polt. Ein Gemeinderat warf seinem Bürgermeister demokratiepolitische Defizite vor, obwohl die beiden Sonntag für Sonntag am selben Stammtisch saßen, eine Künstlerin sorgte mit einem Eichenholz-Phallus, den sie ausgerechnet am Galgenberg aufgestellt hatte, für Aufsehen und Empörung, und der FC Brunndorf hatte deutlich gegen einen ungleich stärkeren Gegner gewonnen: Brunndorf, der Giganten-Killer.
    Jene drei, vier Seiten, die über Geschehnisse im Wiesbachtal berichteten, waren ziemlich weit hinten gereiht. Es dauerte also eine Weile, bis Polt auf das Foto des Toten im Weingarten von Norbert Sailer stieß. Er hatte erwartet, es bald einmal zu sehen, war nun aber doch ein wenig erschrocken. Zur Überschrift Wer ist dieser Mann? kam ein kurzer Text, der - ohne Sailer namentlich zu nennen - über den Fundort informierte und im Namen der Polizei um Hinweise aus der Bevölkerung bat. Polt riss das Bild heraus, steckte es in die Rocktasche und legte grübelnd die Zeitung aus der Hand. Jetzt würde Bewegung in die Sache kommen - oder auch nicht. Und der Norbert hatte vermutlich schon gestern Abend von der Veröffentlichung des Bildes gewusst. Natürlich musste er damit rechnen, jetzt erst recht ins Gerede zu kommen.
    Polt schaute auf die Uhr und machte sich auf den Weg nach Burgheim. Die Tür von Frau Habesams Kaufhaus war schon geöffnet, und er fand seine Arbeitgeberin in der kleinen Küche vor, wo sie lesend saß. »Guten Morgen! Heut bin ich pünktlich, nicht wahr?«
    Sie blickte auf. »Wie ist dir denn das passiert, Simon? Naja, egal.«
    Polt setzte sich zu ihr. »Mit Verlaub, Frau Aloisia, aber heute schaun zur Abwechslung Sie irgendwie merkwürdig drein.«
    »So? Wie?«
    »Ungefähr wie mein Kater, wenn’s draußen blitzt und donnert.«
    »Sehr charmant, der Herr. Hast das Foto auch schon gesehn, Simon?«
    »Ja, klar.«
    »Was sagst du?«
    »Wenig. Ist ja sozusagen ein alter Bekannter von mir. Und Sie, Frau Aloisia? Fällt Ihnen irgendwas ein dazu?«
    »Mir? Was soll ich alte Frau mit so einem jungen Feschak? Da musst du schon andere fragen, Simon.«
    »Zum Beispiel?«
    »Jüngere. Denken musst du selber. Wie wird es jetzt weitergehen?«
    »Da bin ich überfragt. Aber wie ich diesen Primi einschätze …«
    »Primi? Kenn ich nicht.«
    »Ein Neuer in der Burgheimer Polizeidienststelle. Ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll, aber etwas ist klar: Locker lässt so einer nicht. G’scheit ist er und gleichzeitig patschert - ich mein im Umgang mit den Leuten hier.«
    »Genau so einer hat uns noch gefehlt im Wiesbachtal.« Frau Habesam strich sich mit fahriger Hand über die Stirn. »Geh zur Küchenkredenz, Simon, da steht rechts oben eine Flasche Magenbitter. Bringst mir ein Stamperl? Aber kein kleines, wenn ich bitten darf!«
    Polt stand auf. »Regt zum Saufen an, dieser Fall, wie’s ausschaut.«
    Die Kauffrau gab keine Antwort, trank stattdessen ungeniert das halb gefüllte Achtelglas leer und starrte vor sich hin. »Wir werden ja sehen, was wir sehen werden«, sagte sie dann wie

Weitere Kostenlose Bücher