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Polt.

Polt.

Titel: Polt. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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nackte Karin Walter vor sich. »Entschuldige! Aber schön bist, so was von schön…«
    »Hörst auf damit, Simon!«
    »Warum?«
    »Weil sonst etwas anfängt, mit dem wir nicht rechtzeitig fertig werden. Ich muss in die Schule und vorher noch zu mir nach Haus. Dreh dich um und schlaf weiter, Lieber!«
    »Nein, Karin! Ein schneller Kaffee geht sich schon noch aus und dann begleit ich dich - muss sowieso zur Frau Habesam!« Polt stand auf, hüllte sich verschämt in seinen Bademantel, trat ans Fenster und öffnete es. »Hat zu regnen aufgehört. Diese Luftriecht nach Frühling, schmeckt nach Frühling. Und der Weidenbusch da drüben hat schon Palmkatzerln.«
    »Lass schauen!« Für einen Augenblick spürte Polt, wie sich Karin an seinen Rücken schmiegte. Er hörte, wie sie ein wenig schneller atmete. Doch dann kam ein Seufzer.
    »Frühling hin, Frühling herkeine Zeit, Simon! Darf ich vor dir ins Bad?«
    »Logisch ist das nicht und vernünftig schon gar nicht.« Die Lehrerin lenkte ihr Fahrrad neben Polt in Richtung Brunndorf. »Du näherst dich der Frau Habesam, indem du dich von ihr entfernst.«
    »Bewegung ist g’sund. Und zu früh dran bin ich auch. Übrigens war meine Arbeitgeberin gestern bei mir. Fast schon ein Staatsbesuch!«
    »Merkwürdig. Dass die einmal aus dem Haus geht! Hat sie was wollen von dir?«
    »Es geht um den Toten im Weingarten. Das Foto war ja gestern in der Zeitung.«
    »Weiß ich. Also mir sagt es nichts!«
    »Ein paar anderen offenbar schon. Aber das geht die Polizei und auch mich nichts an, meint die Frau Habesam.«
    »Ja, die! Nachrichtenzentrale und Geheimnisträgerin in Personalunion. Aber gottlob nur bissig, nicht bösartig. Was da wohl wieder war…« Karin lachte. »Eine ruhige Gegend, unser Wiesbachtal. Aber nur an der Oberfläche. Und wie gut, dass es allwissende Weiber wie die Frau Habesam gibt. Die meisten Leichen bleiben im Keller, genügt ja, wenn peinlicherweise eine ans Licht gekommen ist. Wie geht übrigens die Birgit damit um?«
    »Tapfer. Der Norbert auch. Nur neulich hat er sich niedergesoffen in seinem Keller, und als der Primi gekommen ist und ihn gereizt hat, ist er ihm fast an die Gurgel gefahren. So kenn ich ihn gar nicht.«
    »Wer kennt sich schon aus mit einem Mann?«
    »Ist doch ganz einfach.«
    »Ja? - So, da sind wir. Und vergiss nicht auf einen innigen Abschiedskuss, Simon, mit Temperament, wenn ich bitten darf. Die Nachbarin soll ihre Freud haben, wenn sie schon aus dem Küchenfenster schaut…«
    Noch immer war es dämmrig. Polt blieb eine Weile sinnend vor Karin Walters Haus stehen, bemerkte, dass er von der Nachbarin beobachtet wurde, grinste, hob grüßend die Hand und stieg aufs Fahrrad. Brunndorf war sehr still, so früh am Morgen. Jene, die hier keine Arbeit fanden und in die Bezirkshauptstadt auspendelten, viele auch nach Wien, waren längst unterwegs. Wenn ein Bauer zur Arbeit im Weingarten oder auf dem Acker aufbrach, tat er das hintaus, wo eine schmale Straße die Rückseiten der langgestreckten Höfe von einer Reihe großer Scheunen trennte. Polt wandte sich nach Norden, überquerte das schmale Gerinne des Wiesbachs und bog in einen Feldweg ein, der sachte ansteigend zur Grenze nach Tschechien führte und ihr dann folgte. Sein altes, schweres Fahrrad hatte keine Gangschaltung. Polt war demnach ziemlich außer Atem, als er den höchsten Punkt der Hügelkette erreichte. Vor einer steinernen Figurengruppe, die Christi Abschied von seiner Mutter darstellte, stand eine Bank. Polt nahm Platz und genoss den Blick über das breite Wiesbachtal hinweg ins Hügelland des Weinviertels.
    An diesem klaren Morgen waren in der Ferne sogar die Voralpen, Rax und Schneeberg, zu sehen. Der Himmel war schon merklich heller geworden, mit einer Ahnung von Rot. Auch auf die Gefahr hin, wieder einmal zu spät zu kommen, beschloss Polt, hier oben auf den Sonnenaufgang zu warten.
    Es dauerte nicht lange und die weite Landschaft lag leuchtend vor ihm. Langsam fuhr Polt talwärts, erreichte die Kellergasse von Burgheim und bremste, als er bemerkte, dass die Tür von Norbert Sailers Presshaus einen Spalt breit offen stand.
    Polt trat ein, alles dunkel, kein Norbert Sailer. Er ging hinter das Presshaus, um zu sehen, ob sein Freund vielleicht im Weingarten arbeitete. Kein Mensch weit und breit, wohl aber war der Boden zwischen den Rebstöcken aufgebrochen worden, es konnte noch nicht lange her sein. Polt wollte schon zu seinem Fahrrad zurückgehen, als er einen blitzenden

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