Polt.
entdecken, ein Wein-Scout, wie es in diesem scheußlichen Neudeutsch heißt. Offenbar war er ein hochkarätiges Exemplar seiner Gattung, für ganz berühmte Auftraggeber unterwegs. Er hat hier nur ein paar Weinbauern besucht, aber die werden ihn nie vergessen - ihre Frauen übrigens auch nicht.«
»Ein Schürzenjäger, ein besserer?«
»Glaub ich nicht. Mehr einer, der es als Geschenk genommen hat, wenn ihm was Schönes untergekommen ist, Wein oder Frau, wie auch immer.«
»Bin direkt froh, dass du nicht auch so was Schönes warst.«
»Geh, du! Aber jetzt noch was: Anscheinend hat niemand davon gewusst, dass er wiedergekommen ist. So ist mir das jedenfalls gesagt worden. Aber als dann das Foto in der Zeitung war, ist es für manche ein Schock gewesen. Und der Polizei gegenüber hat natürlich keiner und keine mit dem Mann etwas zu tun haben wollen.«
»Weißt du, ob er mit dem Peter Rohringer Kontakt gehabt hat?«
»Es wird geredet, dass er ihm ziemlich arg auf die Zehen getreten ist, wegen seiner Wein-Geschichten. Ich kenn mich da nicht aus.«
»Und der Weinwurm Rudi?«
»Kann ich mir nicht denken, Simon. Der ist ja kein Weinbauer, und Frau hat er auch keine.«
»Stimmt. Der Norbert Sailer sagt übrigens, dass ihm das Gesicht bekannt vorkommt, aber mehr kann er damit nicht anfangen.«
»Wenn dieser Rene Geiger mit ihm im Keller war, erinnert sich der Norbert an ihn, als ob es gestern gewesen wäre.«
»Na, dann vielleicht in einem anderen Zusammenhang … Sag einmal, Grete, du als Frau: Wenn so einer nach vielen Jahren wieder ins Wiesbachtal kommt, wen sucht er zuerst auf?«
»Mich. Alles andere würde mich eifersüchtig machen. Aber ich war wohl nicht so einfach zu finden für ihn, hab damals woanders gewohnt, und fragen hat er wahrscheinlich nicht wollen. Also vielleicht doch die Zweitliebste?«
Vor und hinter den Kulissen
Was für ein Tag! Den späten Abend verbrachte Simon Polt behaglich bei sich zu Hause. Er hatte eine Flasche Wein geöffnet, ein Geschenk Sepp Räuschls. Feierlich war er gestimmt gewesen, der alte Knabe, bei der oftmaligen Präsentation seiner Weinpresse. Die nicht minder häufigen Verkostungen im Keller hatten zur weiteren Verklärung seines Gemütes beigetragen. Polt trank und schaute ins Licht seiner Kellerkerze. Sie passte zwar nicht in ein Wohnhaus, war aber für ihn eine schöne Erinnerung an jene Zeit, in der es noch kaum elektrisches Licht in den Weinkellern gab. Damals nahm einer, der nach unten ging, eben mit der brennenden Kerze eine kleine flackernde Helligkeit mit in die Unterwelt.
Des Bürgermeisters Schwiegersohn, der den ortsunkundigen Besucher in der Kellergasse gespielt hatte, war mit so betäubender Gastfreundschaft empfangen worden, dass er sein geplantes Ziel nicht erreichte und schon im Höllenbauer-Keller, ein Potpourri alter Wienerlieder intonierend, in eine höhere Bewusstseinsebene entschwebte. Das Fernsehteam hingegen erlag in Norbert Sailers Keller dem klugen Charme des Weinbau-Polizisten und war zur späten Stunde vollends davon überzeugt, den ganzen Tag lang ein Paradies auf Erden gefilmt zu haben. Sehr eindrucksvoll gestaltete sich auch Alois Reiters wiederholte Geburtstagsfeier mit Blasmusik. Der rüstige Jubilar hatte die Geschenke, die er vor zwei Wochen bekommen hatte, wieder festlich verpackt, und der Bürgermeister ließ es sich nicht nehmen, einen Geschenkkorb auf Kosten der Gemeinde mit allen Köstlichkeiten füllen zu lassen, die Frau Habesams kulinarisches Universum aufzubieten hatte: Buchstabensuppe und Dosenbohnen, Kochschokolade und Zwieback, Fisch in Tomatensauce, Quargel, Spiralnudeln und Malzkaffee.
Der Korb selbst blieb allerdings Eigentum des Kaufhauses. Als eine Art Wanderpokal wurde er stets aufs Neue gefüllt. Nichts wäre Frau Habesams grundvernünftiger Gemütsart mehr zuwidergelaufen als ein leerer Korb, der nutzlos auf irgendeinem Schlafzimmerkasten verstaubte. Siebenmal war das hochherzige Geschenk vor laufender Kamera überreicht worden, bis endlich das Gesicht des Reiter Loisl ausreichend Rührung und Überraschung zeigte. Der Pfarrer hatte als Ehrengast und Festredner ungeniert in himmlischer Lebenslust geschwelgt, um sich dann aber doch mit irdischen Gütern, einem großzügigen Weinpräsent nämlich, beladen zu lassen.
Nicht zuletzt hatte Polts Kellergassen-Führung eindrucksvoll bewiesen, wie gut der ehemalige Gendarm mit Kindern umgehen konnte. So gesehen, gab es für ihn einen Grund mehr, seiner
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